Leben mit der Frage: Hat die Evolution ein Ziel?

Evolution, die Entwicklung der Lebensformen auf unserer Erde, kann man auf Vielerlei beziehen – auf die Natur, die Gesellschaft, den Körper und das Bewusstsein des Menschen. Angenommen, die Evolution hat kein Ziel – welchen Sinn hat das alles dann?

Leben mit der Frage: Hat die Evolution ein Ziel?

Deutlich ist, dass es auf dem Evolutionspfad keinen festen Plan mit Regeln gibt, die unbedingt befolgt werden müssten, um zu einem vorher exakt definierten Zielzustand zu gelangen. Vielmehr existieren implizite, flexible Regeln.

Nur das, was funktioniert, hat langfristig eine Chance auf Leben und Weiterentwicklung. Programme, die nicht funktionieren, werden mit der Zeit aussortiert und gelangen auf die „Müllhalde“ der Evolutionsgeschichte. Gen-Kombinationen, die ihrem Besitzer einen Vorteil in seiner Umwelt bieten, haben eine höhere Chance sich fortzupflanzen. Erst dann, wenn sich ein Plan auf der Realitätsebene konkretisiert und verbreitet hat, zeigt sich, ob er erfolgreich ist.

Die Realität, die Überlebensfähigkeit ist immer der Gradmesser.

Blockaden und Hindernisse sind dabei keine Programmierfehler, sondern Mittel zur Selektion, damit langfristig nur die besten Konzepte überleben können.

Evolution ist keine Automatismus

Evolution ist für uns Menschen kein Prozess im Sinne eines Automatismus, wie ein Uhrwerk, sondern eine Ansammlung von Möglichkeiten und Hilfestellungen, die uns geschenkt werden. Dadurch wird uns ein Raum für freie schöpferische Entfaltung gegeben. Eine treibende Kraft ist dabei die Freude und Faszination am Erschaffen von etwas, das in der Realität gut funktioniert und seinen Zweck erfüllt.

Der Mensch hat bewiesen, dass er zu großen Leistungen er fähig ist. Aber er hat auch bewiesen, dass das Schneller-Höher-Weiter des einen die Armut und der Untergang des anderen ist. In Bezug auf die Erde als Ganzes zeigen sich ebenfalls die Grenzen einer ego-getriebenen Entwicklung. So steht die Menschheit aktuell an einem Wendepunkt, vielleicht sogar in einer Sackgasse.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Sobald die Zelle eines Körpers den Gesamtorganismus unterstützt, erfüllt sie ihren Zweck. Wenn ein Teil nicht mehr dem Ganzen dient, wirkt es zerstörerisch. Aber auch die Zerstörung hat einen Platz im Allgeschehen und fördert letztlich die Evolution. Der Untergang des Alten schafft Raum für die Entstehung einer neuen Schöpfung auf anderer Ebene. Dahinter erkennen wir ein evolutionäres alchemisches Prinzip – Auflösen und (auf neue Weise) Verbinden (solve et coagula).

Die Wurzeln eines Baumes haben den Zweck, Nährstoffe aus dem Boden aufzunehmen und die Stabilität zu gewährleisten. Die Flügel eines Vogels sollen ihn befähigen, sich in die Lüfte zu erheben.

Aber gibt es auch einen umfassenderen Plan in der Entwicklung im Universum? Gibt es ein immanentes Prinzip in all dem? Oder findet ein letztlich sinnloses Spiel der Entfaltung von Formen und Bewusstseinsstufen statt?

Unzählige Versuche wurden von brillanten Forschern unternommen, um auf die drängenden, fundamentalen Fragen nach Sinn und Ziel der Schöpfung eine Antwort zu finden. Immer wieder wurden die Erklärungsversuche durch andere abgelöst, die ihrerseits wiederum bald abgetan wurden.

Die Frage nach dem Sinn betrifft mich unmittelbar

Nun bin ich selbst mitten in diesem Geschehen. Die Frage nach dem Sinn und Zweck betrifft mich unmittelbar. Sie ist für mich ganz persönlich von größter Bedeutung.

Nach allem, was ich höre und lese, muss ich sagen: Ich kenne den Sinn nicht. Ich weiß nicht, ob die Evolution einen Zweck verfolgt.

Mein Verstand ist ein hervorragendes Instrument, um die dreidimensionale Welt zu erforschen, einzelne Phänomene zu analysieren und ihre Bedeutung herauszufinden. Verstehen wollen ist ein elementares Wesensmerkmal von uns Menschen. Auch das ist interessant: Die Evolution hat das Verstehen-Wollen hervorgebracht. Aber was heißt das anderes als: Sie will sich selbst verstehen?

Meiner Frage nach dem Sinn liegt ein Wunsch nach Heimat zugrunde, ein Bedürfnis nach Vertrautheit. Verstehen, richtig verstehen fördert meine Orientierung. Ich will ein integraler Teil des Ganzen sein. Verstehen-wollen bedeutet aber immer, das Unbekannte, das noch Unverstandene zu interpretieren.

Wie soll ich, in meinem abgegrenzten Bewusstsein, jemals zu einer gültigen Interpretation gelangen?

Ich beobachte, wie für die meisten Menschen Höherentwicklung mehr Macht, mehr Kontrolle, mehr Sicherheit, mehr Vergnügen, mehr Wissen bedeutet – also eine Erweiterung, eine Verschiebung ihrer Grenzen. Aber alles, was wir ergreifen oder wissen können, ist begrenzt, ist individuell gefärbt. Unser suchendes Bewusstsein ist fragmentarisch.

Die höheren informativen Ebenen bleiben dem Verstand verschlossen

Dem Verstand sind, auch wenn er sich mit vielen anderen vernetzt, die höheren informativen Ebenen im grenzenlosen Universum verschlossen. Die Frage nach dem Sinn reicht über die Ebene des Verstandes hinaus.

Das können wir „erkennen“. Wir können erkennen, dass wir mit dem Verstand die Fragen nach dem Sinn nicht beantworten können. Liegt diese Erkenntnis nicht bereits „oberhalb“ der Ebene des Verstandes? Ist sie vielleicht die Brücke zu einem Wissen, einer Erkenntnis auf anderer Ebene?

Wenn ich mich auf mein Nicht-Wissen einlasse – könnte es dann nicht sein, dass ich hierdurch an die Tür zu neuen Bewusstseinsräumen klopfe?

Die Frage nach dem Sinn kann sich wohl nur im einzelnen Menschen beantworten. In ihm steigt sie auf und vielleicht sagt sie unausgesprochen: die Antwort liegt in dem Quell, aus dem ich, die Frage, aufsteige.

Ich habe etwas entdeckt

Mein Suchen hat mich dazu geführt, dass ich eine lebendige, vibrierende Kraft in der Tiefe meines Wesens entdeckt habe. Ich lese und erfahre, dass offenbar viele Menschen heute diese Schwingung erleben. Sie wird oft als Präsenz im Hier und Jetzt bezeichnet – als ein Bewusstsein, das im Augenblick verankert ist, erhoben über die horizontale Zeit-Dimension.

Wenn ich mich innerlich darauf einlasse, entsteht der Eindruck, als würden plötzlich Schleier verschwinden, die mein Bewusstsein vorher verdunkelt haben.

Es entsteht ein Gefühl der Freude, der Erfüllung, ein Gefühl der Ganzheit. Das abgetrennte Bewusstsein, das immer nach etwas sucht, nach etwas Neuem verlangt und nie zufrieden ist, verschwindet. Für einen Moment ist diese Suche unterbrochen. Die Fragen nach Sinn und Bedeutung und nach dem Ziel der Evolution sind nicht mehr wichtig. Die Philosophen sprechen von der Ebene des Seins – die ein Alles und Nichts zugleich ist.

Mir scheint, das Sein ist wie eine unendliche Energie im unbegrenzten lebendigen Raum, in dem es keine Zeit gibt und auch kein Ich im irdischen Sinne. Ich spreche jetzt zwar darüber, aber mein Verstand kann nichts anderes tun, als von einer Erfahrung zu berichten, die ich mit einem inneren Sinnesvermögen gemacht habe.

Die Erfahrung der lebendigen, vibrierenden Kraft des Lebens, die nicht an die äußeren Formen gebunden ist, sondern alles miteinander vereint, hat mir deutlich gemacht, dass wir in einer endlosen Schleife fest sitzen, wenn wir in Bezug auf die Sinnfrage rein rationale Erklärungsmuster und Interpretationen erschaffen.

Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn besteht nicht in Worten

Ein ewiges und grenzenloses Konzept kann sich nur selbst ausdrücken. Offenbar sucht es die Gelegenheit dazu in uns Menschen. Und es muss wohl warten, bis ein Mensch bereit ist, sein Nicht-Wissen zu erkennen und zu durchleben. Bis er seine Interpretationsversuche und Analysen loslässt und sich dem anvertraut, was ihm als ein „Nichts“ erscheint.

Die über dem Verstand liegenden Dimensions-Ebenen des Seins und des Nicht-Seins sind wohl identisch. Das grenzenlose Ewige kann sich mitteilen als Ganzheit, Einheit, als Fülle wie auch als Leere. Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn besteht nicht in Worten, sondern in einem neuen Werden.

Es scheint ein reines, formloses, allumfassendes Bewusstsein zu geben. In vielen Momenten des Alltags fühle ich mich von ihm berührt – nach dem Aufstehen, bei der Arbeit, in der Freizeit oder vor dem Schlafengehen. Der Erkennende und das Erkannte verschmelzen darin.

Mein Herz kann etwas spüren von der Einheit des Lebens. Mein Verstand kann darauf reagieren. Er kann Diener des Herzens werden, kann dem Allumfassenden dienen.

Das universelle Bewusstsein will offenbar im Menschen erwachen als individuelles, freies und selbstständiges Bewusstsein. Das ist etwas Neues in der Evolution. Wir können, inspiriert vom Universellen, auf segensreiche Weise mitwirken an ihren weiteren Schritten.

Könnte darin nicht der Sinn liegen, das Ziel der Evolution, so weit es den Menschen betrifft?

 

 

Print Friendly, PDF & Email

Share

LOGON Magazine

Bestellmöglichkeiten

über unseren Online-Shop oder per Email: shop@logon.media

  • Einzelheft 10 €, inkl. Versand (Ausland 14 €, inkl. Versand)
  • Einzelheft digital 4 €
  • Print-Abo 36 €, 4 Ausgaben/Jahr, inkl. Versand (Ausland 52 €), fortlaufend, Kündigung jederzeit möglich.
  • Digitales Abo 15 €, 4 Ausgaben/Jahr zum Download (pdf), fortlaufend, Kündigung jederzeit möglich.

Unsere neuesten Artikel

Post info

Datum: Oktober 30, 2020
Autor: René Lukas (Germany)

Bild: