Halten Sie Abstand!
Halten Sie durch und seien Sie standhaft!
Bewegen Sie sich nicht unnötig!
Befolgen Sie die Quarantänevorschriften!
Bleiben Sie gesund!
Das sind Parolen, die uns in dieser Zeit der Krise immer wieder begegnen. Aber gibt es etwas Neues unter der Sonne?
Auch unsere Vorfahren lebten in einer Welt, die regelmäßig von verheerenden und furchterregenden Epidemien heimgesucht wurde: Lepra, Pest, Ruhr, Pocken, um nur einige zu nennen. Auch sie ertrugen die Schließung von Kirchen, Gasthäusern, Märkten usw., und auch das Reisen unterlag Einschränkungen, wenn solche Epidemien ausbrachen. Wenn ein Leprakranker durch die Straßen ging, trug er kein Handy mit einer App bei sich, sondern war dadurch gekennzeichnet, dass er einen speziellen Mantel mit Kapuze tragen musste. So waren andere gewarnt und hielten einen Abstand, der keineswegs nur eineinhalb Meter betrug.
Zu den Sicherheitsmaßnahmen gehörte auch, dass die Besatzungen von Schiffen, die von einer fernen Reise zurückkehrten, einige Tage lang nicht von Bord gehen durften. So wollte man sicherzustellen, dass sie keine unerwünschten Krankheiten mit zurückbrachten. In Venedig waren dies 40 Tage, eine „Quarantäne“. Hieraus leitet sich das Wort „Quarantäne“ ab.
Vierzig war auch eine bedeutsame spirituelle Zahl, die mit der Idee der Besinnung und der Einsamkeit verbunden war. Jesus verbrachte zum Beispiel vierzig Tage in der Wüste. Die Zahl war Symbol für die Fülle innerer Erfahrung, die ein neues spirituelles Leben einleitet.
Der holländische Gelehrte Justus Lipsius (1547-1606) schrieb während seines turbulenten Lebens ein Buch mit dem Titel De constantia in publicis malis (Über die Standhaftigkeit in allgemeinen Krisenzeiten – 1584), in dem er darüber sprach, wie man in Krisenzeiten mit sich selbst im Einklang bleiben kann. Das Buch ist bis heute in Europa im Druck geblieben und zeigt erneut seine Aktualität. Lipsius beruft sich auf den Stoizismus der antiken Philosophen, die inmitten der Wechselfälle des Lebens – bei Krankheiten und Katastrophen – Neutralität und Tapferkeit predigten.
„Abstand halten“: Für Lipsius bedeutete dies, eine „innere“ Distanz zu den eigenen Gefühlen zu halten, und zu erkennen, was man an ihnen ändern kann und was nicht, und in Übereinstimmung mit dieser Erkenntnis in Ruhe, Zurückhaltung und Nicht-Reaktion zu handeln.
„Standhaftigkeit“: Nach Ansicht von Lipsius ist Standhaftigkeit eine gute und notwendige geistige Haltung, um jedem möglichen Unglück, das durch äußere oder zufällige Umstände entsteht, positiv zu begegnen, da sie den Einzelnen davor bewahrt, in Übermut oder Depression zu verfallen.
Die wahre Mutter der Standhaftigkeit ist die Demut; das heißt, klaglos zu ertragen, was geschieht oder einen überfällt. Unterstützt durch richtiges Urteilsvermögen ist Standhaftigkeit der Boden, in dem der Baum der Tapferkeit wurzelt.
„Reisen Sie nicht unnötig“: Nach Lipsius: Geisteskrankheit wird durch Reisen nicht geringer, sondern eher schlimmer. Es ist der Geist in uns, der krank ist, und dafür muss man in der Philosophie und Tapferkeit ein Heilmittel finden. „Willst du das Land und die Luft verändern? Ändere vielmehr dein Inneres, das du den Leidenschaften unterworfen hast, die dich dann der Autorität der Vernunft entzogen haben. Verändere dein Geistiges und nicht den Ort deines Aufenthalts, sorge dafür, dass du anders bist und nicht anderswo bist.
Lipsius war ein großer Stilist. Sein Buch verdient es, wieder auf so manchem Nachttisch zu liegen.
„Bleiben Sie gesund“: Lipsius spricht in diesem Zusammenhang davon, was ein sinnvoller Wunsch ist und welcher Imperativ sich aus ihm ergibt. Er verweist auf Pythagoras, der sich mit dem Wunsch auf einer tieferen Dimension auseinandergesetzt hat. Für die Schüler seiner Mysterienschule in Crotone war „Bleib gesund“ ein Gruß, der bei jedem Treffen ausgesprochen wurde. Er bedeutete: benutze jeden Augenblick des Tages dazu, um dich daran zu erinnern, dass du göttlichen Ursprungs bist.
Bleiben Sie gesund, liebe Leser!
Fortsetzung folgt in Teil 2