Stärke und Kraft: die Tarotkarte XI

Die Tarotkarte XI illustriert die Macht der menschlichen Seele.

Stärke und Kraft: die Tarotkarte XI

Einer der ältesten und populärsten Sätze der Tarotkarten ist das Tarot de Marseille. Man kann die Abfolge der 22 Karten des Spiels, der Großen Arkana, als Weg der Einweihung verstehen. Er beginnt beim jungen Magier (Karte I: Le Bateleur) und geht über die Päpstin (Karte II: La Papesse) bis hin zur Verwirklichung, zur Neugeburt der Welt (Karte XXI: Le Monde). Dabei spielen die vier Mysterienfiguren der Evangelisten eine Rolle und vor allem der Narr, Mat (ihn gibt es “vor dem Anfang und nach dem Ende” – seine Karte besitzt keine Zahl), der in Freiheit seinen Weg geht – sofern er den Hund, der ihn verfolgt, loswerden kann.

Ein Arkanum ist ein Geheimnis (lateinisch arcanus = in eine Truhe oder einen Kasten gelegt), etwas Verborgenes, das darauf wartet, entdeckt zu werden.

In der Mitte des Entwicklungsweges befindet sich die Karte XI. Sie symbolisiert die Stärke und Kraft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Großen Arkana kann man in drei mal sieben Karten plus dem befreiten Mat anordnen. Die erste Siebener-Reihe betrifft die Einweihung in die Geheimnisse des Körpers, die zweite die Einweihung in die Geheimnisse der Seele und die dritte die in die Geheimnisse des Geistes. Die Deutungsebene, auf der Geist, Seele und Körper gesehen werden, hängt vom Bewusstsein des Spielers ab. Die Bilder laden zur Projektion von Inhalten unseres individuellen Unterbewusstseins ein.

Die Karte der Stärke und Kraft befindet sich in der Mitte des zweiten Siebenerzyklus. Eine reich gekleidete Dame greift einem vor ihr sitzenden Löwen ins offene Maul und hält die Kiefer auseinander. Auf dem Kopf trägt sie einen breitkrempigen Hut in Form einer Lemniskate, dem Symbol für die Unendlichkeit. Sechs kleine Flammen brennen oben auf dem Hut. Die Linie an der Basis des Halses könnte bedeuten, dass das Gesicht eine Maske ist. Der rechte Fuß, der unter ihrem langen Gewand hervorschaut, zeigt sieben Zehen. Mit beiden Händen dreht sie den Löwenkopf nach vorne links. Auch sie selbst schaut und bewegt sich ein wenig in diese Richtung – also, je nach Interpretation, in die Zukunft.

Eingebettet ist die Karte zwischen die Karten X und XII: das Rad des Lebens (des Schicksals)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

und den Gehängten.

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Sie stehen für die Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben (Karte X) und für das Zur-Ruhe-Kommen in der Hingabe, im Vertrauen auf die unverrückbare Verbindung mit der höheren Welt (Karte XII). Der Betrachter kann hierbei seine eigenen Assoziationen wirken lassen. Ein mythologischer Gehängter war Odin, der die tiefsten Weisheiten schaute, nachdem er neun Nächte am Weltenbaum Yggdrasil gehängt hatte.

Die Kraft und Stärke, das ist die weibliche Figur in ihrer reichen Kleidung. Sie symbolisiert die Seele, die Anima. Die Gestalt drückt eine kontrollierte und beherrschende Kraft aus. Die Hände der Frau und der Löwe befinden sich am Rande der Mitte, die Linie des Herzens wird im Gewand betont. Die Kraft der Seele weist dem Löwen, der starken und wilden Lebensenergie, die in jedem Menschen wurzelt, die Richtung. Es kann die Energie des bisherigen Lebens sein oder die eines neuen Lebens. Die Karte birgt eine Verheißung.

Betrachten wir die Seele. Sie ist mit der Ewigkeit verbunden, sie besitzt die Flammen des Geistes, ist offen zum Himmel hin, und so vermag sie die Lebensenergie zu beherrschen. Der Mensch ist in seiner Art zweifach. Er ähnelt dem Zentauren, der zum Teil einen tierischen und zum Teil einen menschlichen Körper besitzt. Der rechte Fuß der Frau steht auf dem Boden und lässt so die Energie, die sie von oben empfängt, auf ihrem Weg siebenfach wirksam werden.

Auf welche Weise wird die Seele ihre Macht und Stärke ausüben? Das hängt von ihrer Qualität ab. Sie kann die Kraft nutzen, die von “oben” stammt, oder die, die sie in ihrer Mitte generiert, oder sie kann aus der tierhaften Kraft leben und danach streben, “König der Tiere” zu werden. Welche Wahl sie trifft, bleibt ihr überlassen.

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Datum: März 5, 2021
Autor: Eric Op 't Eynde (Belgium)

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