Die Sieben
Die Sieben eröffnet die dritte Triade: Sieben – Acht – Neun, die hier nur kurz zusammengefasst dargestellt werden soll. Die Sieben ist die Zahl der Vollständigkeit, die Zahl der Grenzüberschreitung, der Beginn des kosmischen Bewusstseins. Sie ist die Summe von Drei und Vier, von Geist und Materie.
Geometrisch gesehen lässt sich ein Siebeneck nicht mehr nur mit Zirkel und Lineal auf herkömmliche Weise konstruieren. Während die Sechs noch flächenbildend, aber nicht mehr körpererzeugend war – mit einem regelmäßigen Sechseck kann man zwar eine Ebene parkettieren, jedoch keinen Körper mehr bauen –, ist die Sieben nicht einmal mehr flächenbildend. In der Sieben lösen sich Raum und Fläche auf.
Die Sieben gilt als heilige Zahl (septos = heilig). Nach ihr ist alles geregelt und aufgebaut: die Himmel, die Schöpfung und das Licht. In sechs Tagen schuf der Herr Himmel und Erde, am siebten Tage ruhte er. Der siebte Tag ist heilig.
Sieben ist die Zahl der Apokalypse, die von sieben Gemeinden spricht, sieben Posaunen, sieben Siegeln, sieben Geistern Gottes …
Ferner gibt es die sieben Strahlen und die sieben Tore der Einweihung. Sie berühren den Menschen, der sich hierfür zubereitet hat, durch ihr geistiges Licht und erwecken das unsterbliche Element in ihm. Sieben ist die Zahl der Wandlung und Befreiung.
Spiegelbilder im Irdischen sind die sieben Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett, die im weißen Licht enthalten sind, außerdem die sieben Töne der Tonleiter
c – d – e – f – g – a – h
und die Entwicklungsrhythmen unseres Lebens in Siebenjahres-Schritten. Unsere Körperzellen erneuern sich vollständig innerhalb von sieben Jahren.
Auch aus den Märchen ist die Zahl Sieben bekannt. Es wird von sieben Bergen gesprochen, von sieben Tälern, sieben Raben, von Schneewittchen und den sieben Zwergen …
Die Geometrie zeigt uns die Bedeutung der Sieben auf nüchterne Weise: Ordnet man sechs gleiche Kreise kreisförmig an, so entsteht in der Mitte ein siebter Kreis mit gleichem Durchmesser, der die anderen Kreise in sechs Punkten berührt. Wenn wir die sechs Kreise als Symbol für die Welt der Sechs ansehen (die Vollkommenheit darstellt), so wird diese von dem Kreis in der Mitte (der Welt der Sieben) zusammengehalten. Es zeigt sich also, dass der siebte Kreis einerseits durch die Welt der Sechs erschaffen wird, andererseits aber das im Hintergrund stehende steuernde Prinzip der Sechs darstellt.
Aus Fünf und Sechs,
so sagt die Hex,
mach Sieben und Acht,
so ist`s vollbracht.
– Goethe, Faust, 1. Teil
Die Acht
Ebenso wie die Sieben gehört ihr Gegenpol, die Acht, zur nicht-materiellen Natur. Sie beinhaltet wiederum die Polarität, jedoch auf einer höheren Stufe:
Die Spannung der Zwei wird auf dem Weg zur Acht transformiert und erlöst. Über die Form der Acht wird das ursprünglich Göttliche (mit Hilfe der Drei) offenbart. Die Acht verbindet die tiefsten Gründe des Unbewussten des Menschen mit den höchsten Gipfeln seines Geistes. Die Prüfungen, denen der Mensch in der Acht begegnet, sind die der M-acht, und zwar durch das Erwachen übernatürlicher Kräfte, die wiederum auf zwei Arten angewandt werden können: im Streben nach dem Geistigen oder in der Versuchung im Okkulten. Unsere Sprache gibt dafür weitere Hinweise: Acht-ung, gib Acht, Ver-acht-ung, Acht-samkeit.
Mit der Acht wächst die Verantwortung, die immer stärker werdenden Lichtkräfte auf die richtige Weise zu gebrauchen. In der Acht liegt die Vervollkommnung des Lebens in höchster Verantwortung, Ethik und Reinheit der Motive.
Die Neun
Die Neun ist die endgültige Überwindung und Befreiung vom Rad der Geburt und des Todes. Sie ist das Ergebnis eines langen Weges der Läuterung durch den Stoff bis zur Auferstehung im ewigen Leben. Friedrich Weinreb schreibt in Zahl, Zeichen, Wort (S. 90): „Die Überlieferung sagt, dass Teth, der 9. Buchstabe, die Gebärmutter sei, also der Ort, wo sich das Neue entwickelt, wächst und schließlich hervortritt. Gemeint ist damit nicht nur die menschliche Gebärmutter, sondern überhaupt das Dunkle, in dem sich das Neue vorbereitet, um an das Licht zu treten.“
Und Neun ist Eins,
und Zehn ist keins.
– Goethe, Faust, Teil 1
Die Zehn
Die Zehn ist das Symbol der Vollendung, in ihr verbindet sich die Eins mit der Null und schließt damit die Reihe der Ziffern ab. Mit der Eins beginnend, führt die Reihe zur Eins zurück, jedoch auf einer höheren Stufe. Hinter der Eins steht die Machtfülle des verborgenen Gottes (des Kreises der Null), der sich in der Zehn manifestiert. Mit der Zehn tritt eine neue Ebene der Welt hervor. Auch hier finden wir den Beginn eines neuen Zyklus.
Das Begreifen der Qualität der Zahlen ist in diesen Ausführungen nur angedeutet. Vertieft man sich weiter in ihr Geheimnis, so kann man eine Ordnungsstruktur erkennen, die sich auch in den geometrischen Grundformen und den Platonischen Körpern widerspiegelt.
Zahlen und die sich daraus entwickelnden Formen und Körper können uns helfen, die Lebensgesetze des Daseins zu entschlüsseln. Die darin verborgenen Weisheiten eröffnen einen Blick in die Geheimnisse des Kosmos und die Weisheitslehren der Völker. Sie weisen einen Weg, der Sinn und Auftrag unseres Menschseins erkennen lässt.
Zahlen, Formen und Körper wollen uns etwas er-zählen. Lauschen wir ihrer Botschaft.
Quellen:
Heinrich Elijah Benedikt, Die Kabbala als jüdisch-christlicher Einweihungsweg, 1999
Ernst Bindel, Die geistigen Grundlagen der Zahlen, 1958
Konrad Dietzfelbinger, Pythagoras. Die Einheit von Naturwissenschaft und Religion, 2005
Marie-Louise von Franz, Zahl und Zeit. Psychologische Überlegungen zu einer Annäherung von Tiefenpsychologie und Physik, 1970
Priya Hemenway, Der geheime Code. Die rätselhafte Formel, die Kunst, Natur und Wissenschaft bestimmt, 2008
Peter Schottler und Freunde, Umstülpung und Übergang. Umstülp-Bewegungen als Übergänge zwischen polaren Qualitäten, 2009
Michael Stelzner, Die Weltformel der Unsterblichkeit. Vom Sinn der Zahlen, 1996
Rolf Umbach, Vom Flug der Fische. Die Bibel kabbalistisch gelesen, 1995
Friedrich Weinreb, Zahl, Zeichen, Wort, 1978
Christa Zettel, Das Geheimnis der Zahl. Geheimlehre und Numerologie, 1998