„Der Patient sei sein eigener Arzt“ – Teil 1

Ein Interview mit Dr. med. Klaus Bielau, Graz (für LOGON: Angela Paap)

„Der Patient sei sein eigener Arzt“ – Teil 1

A.P.: Wenn wir über das Thema „Krankheit, Gesundheit, Heilung“ sprechen, dann müssen wir natürlich auch über den Menschen sprechen: Was ist der Mensch? Das heißt, dass wir alle geistigen und seelischen Aspekte des Menschen in unser Gespräch mit einbeziehen. Du schreibst auf Deiner Website, dass Gesundheit ein harmonischer Fluss von Kräften ist. Bezieht sich das für Dich auch auf seelische Aspekte oder worum geht es dabei?

K.B.: Es gibt immer nur ein Kommen und Gehen, es geht immer um ein In-Fluss-sein, es geht immer um dieses berühmte panta rhei, das Gut-im-Fluss-sein zwischen Kräften, die wir zu uns nehmen und Kräften, die wieder von uns weggehen. Und das hat natürlich etwas zu tun mit allen Ebenen des menschlichen Daseins, mit der Seele genauso wie mit dem Körper. Und der Körper ist ja letztendlich nichts anderes als ein Ausdrucksmittel, ein Ausdruck aller seelischen Komponenten. Das heißt, sind wir auf der seelischen Ebene eins mit dem Kern unseres Lebens, mit dem Plan, der uns zugrunde liegt, so können wir von einer Harmonie der Seele sprechen und dann wird auch der Körper entsprechend reagieren, wird der Körper ein Ausdrucksmittel davon sein können. Und Gesundheit ist auf der körperlichen Ebene etwas sehr Relatives, denn der Körper kann eigentlich nicht wirklich gesund sein, sondern der Körper ist ein ständiges Kommen und Gehen.

Wenn alles einigermaßen in Fluss ist, sagen wir gesund dazu.

Wirklich gesund kann nur die Seele sein, die Seele, die durch einen großen Reifungs- und Veränderungsprozess hindurch geht und dann tatsächlich eins wird mit diesem geistigen Auftrag, der dem Menschen als Individuum und auch als Kollektiv, der Menschheit, zugrunde liegt.

Die Persönlichkeit – eine Eigenschaft der Seele

A.P.: Du sagst, der Körper als solcher kann gar nicht wirklich 100-prozentig gesund sein, hier gebe es immer nur sehr Relatives. Hat das etwas damit zu tun, dass der Körper dem Seelisch-Geistigen, weil er dichter und träger ist nicht so flexibel folgen kann?

K.B.: Krishnamurti hat einen sehr schönen Ausdruck gewählt für das, was der Körper ist, nämlich „die Eigenschaft“. Also die Persönlichkeit ist die Eigenschaft, und als Krishnamurti so um die 90 Jahre alt geworden ist, hat er gesagt: die Eigenschaft wird jetzt bald aufgelöst, oder so ähnlich. Das heißt, der Körper ist einfach ein Werkzeug, unser Werkzeug, um uns auszudrücken in der materiellen Natur, um unsere Aufgaben zu erfüllen, um in Kontakt zu bleiben mit unserer Umgebung; das ist der Körper, also eigentlich ausschließlich eine Eigenschaft der Seele.

Wenn wir zu stark orientiert sind von unserer Seele auf das Körperliche, d.h. wenn uns das Körperliche zu wichtig wird, das Äußere, das Materielle zu wichtig wird, dann verlassen wir das Einfache und es wird kompliziert.

Wenn wir hingegen auf das Seelische, auf das Geistige in uns und um uns orientiert sind, und unsere Seele mit diesem Geistigen mitzuschwingen beginnt, dann verstehen wir, dass der Körper nichts anderes sein kann, als ein Ausdrucksmittel, das irgendwann einmal kommt und irgendwann wieder mal gehen muss. Und das ist dann eigentlich der gesunde Stoffwechsel, wenn uns wirklich bewusst wird, dass das geistige Prinzip hinter allem steht und unsere Seele mit diesem geistigen Prinzip mitzuschwingen beginnt. Das geistige Prinzip hat auch einen alten Namen, und zwar: Freude, schöner Götterfunke …, und wenn unsere Seele sich an diesen Götterfunken zu wenden beginnt und „ja“ zu diesem Götterfunken zu sagen beginnt, mehr oder weniger ununterbrochen auf dieses intuitive Element zu hören beginnt, dann wird alles sich sehr gut und sehr sinnvoll regulieren – auch im Körperlichen. Und vor allem wissen wir dann auch, und jetzt kommt ein ganz wesentlicher Punkt, dann wissen, dann erfühlen wir,

dass all unsere körperlichen Geschehen nichts anderes als Reinigungsprozesse sind. Reinigungsprozesse für den Körper wie auch für die Seele.

A.P.: Könnte man das so sehen, dass man sowohl bei der Krankheit als auch bei der Heilung einen gemeinschaftlichen Weg von Körper und Seele vor sich sieht?

K.B.: Es geht nicht anders, dabei muss absolut immer die Seele vorangehen. Was ist die Seele? Wenn wir wollen, ist die Seele unser Bewusstsein. Und das alte Axiom aus der Universellen Lehre, das sagt: Bewusstseinszustand ist Lebenszustand, das gilt für alles und immer. Wenn wir uns da ganz hinein begeben in ein Ja, in ein Annehmen, dann wird sich auch alles bei uns eröffnen. Plötzlich werden wir verstehen, warum dies, das, jenes ist. Und wenn wir es nicht verstehen, dann tragen wir es mit, weil wir es annehmen. „Ja“ zu allem, was ist. Und da fällt uns dann auch dieser Satz von Paulus ein, der da heißt: „Seid dankbar in allem.“ Und dankbar in allem heißt: dankbar in allem. Und Punkt.

Dankbarkeit ist eigentlich eine ganz große, eine heilsame Kraft für unsere Seele, und wie soll unser Köper anders als harmonisch darauf reagieren?

Der Arzt – dein Helfer

A.P.: Ich glaube, das führt auch schon hin zu dem, was für mich ein ganz zentraler Satz ist von Paracelsus und der dir, glaube ich, auch wichtig ist: „Der Patient sei sein eigener Arzt und der Arzt dessen Helfer.“ Das ist die offene Tür in die Autonomie, und ich meine, dass diese Autonomie mit dem Annehmen anfängt, mit dem Hinschauen, mit dem Akzeptieren dessen, was ist. Nur wenn ich’s akzeptiere, kann ich’s überhaupt richtig gut sehen.

K.B.: Ja, absolut. So ist es. Und zwar dieses: Der Patient sei sein Arzt, der Arzt dessen Helfer. Und dieses Axiom ist 500 Jahre alt. Paracelsus war der Eröffner für die nördliche Renaissance, er hat die Brücke geschlagen von Italien in den Norden, und er hat eigentlich alles schon damals vor 500 Jahren vor die Menschen gestellt, was im Augenblick aktuell zu werden beginnt, nämlich nicht nur für Einzelne, sondern auch für viele. Und das ist diese Notwendigkeit, dass ein Mensch, der tatsächlich genesen will, autonom für sich werden muss, sprich: sein eigener Arzt werden muss. Das ist das Wesentlichste.

Alle Menschheitslehrer in den letzten ein-, zweihundert Jahren haben immer den Menschen dahin gedrängt, für sich die Verantwortung zu übernehmen, für sich und seinen unmittelbaren und auch mittelbaren Lebenskreis und damit auch für die ganze Menschheit, damit alle Genesungsprozesse in der eigenen Seele lebendig werden können. Und der Körper wird im Rahmen seiner Möglichkeiten mitmachen.

(wird fortgesetzt in Teil 2)

 

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Datum: August 20, 2020
Autor: Angela Paap (Germany)
Foto: Devanath de Pixabay CCO

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