Wir tanzen auf der hauchdünnen Kruste einer glühenden Gaskugel – unserer Erde. Sie ist für uns die Schule der Ewigkeit. Doch sie droht immer unbewohnbarer zu werden; denn ihre Schüler verhalten sich nicht gut. Was gibt es denn für sie hier überhaupt zu lernen?
Wir alle scheinen mit einer großen Datenbank verbunden zu sein, die alles aufzeichnet, was einmal gesagt, gefühlt, geschrieben oder gedacht wurde. Wenn unser innerer Empfänger dann zufälligerweise oder mit Absicht in der Nähe einer bestimmten Frequenz ist, blitzt ein Erkennen, eine Idee, durch unser Gehirn. Wir nennen das vielleicht eine Eingebung oder Inspiration. Dieses „Eingeben“ scheint ohne Bedingungen zu geschehen. Für den Empfang bedarf es lediglich einer Öffnung, einer Erwartung oder eines Verlangens. Wenn das nicht der Fall ist, berühren uns gleichwohl viele Impulse, Informationen und Daten. Aber sie führen dann eher zu einer Verwirrung, einer Verunsicherung oder Verwerfung in unserem Gemüt.
In den Sphären – der Datenbank – schallt eine Posaune, seit ewigen Zeiten, aber die Welt ignoriert sie und geht zur Tagesordnung über. Einige wenige allerdings vernehmen sie und lauschen atemlos – und dann ist für sie nichts mehr so, wie es vorher war. Benommen, erzitternd von ihrer Erfahrung, erleben, erahnen sie, dass sie mitten im Allwissen stehen. Sie können nicht darüber reden, weil es dafür weder Worte noch Bilder gibt. Es gibt die Illusion unseres vergänglichen und relativen Daseins, und es gibt die absolute Wirklichkeit. Das innere Wissen hierüber erzeugt eine Bewegung: Die Seele möchte aus dem inneren Wissen leben, das Ich jedoch, das unserer Welt angehört, will es besitzen.
Es geht in dieser Schule um den Erwerb von Kenntnis. Man erlangt sie 1. genetisch, also durch die Übertragung über den Zeitgeist, das Volk, den Kulturkreis, die Vorfahren, 2. intuitiv, also durch eine innere Sicht dessen, was „in der Luft liegt“, und schließlich 3. durch alles, was „Unterricht“ genannt wird.
Unsere Erziehung besteht im Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten. In der irdischen Existenz gilt es zu funktionieren, je nach Begabung und Wünschen oder Notwendigkeit. Die meisten sind zufrieden, wenn sie eine Prüfung bestehen und vielleicht das eine oder andere Diplom erhalten. Manche aber gelangen in ein undefinierbares Gewahrsein, dass ein seltsamer roter Faden in ihren Lernprozess eingewoben ist, dass er Berührungspunkte besitzt mit einem scheinbar eingebauten inneren Wissen.
Zwei Kanäle, die parallel verlaufen
Es gibt zwei Kanäle, die parallel verlaufen, wenngleich auch mit unterschiedlicher Kraft und unterschiedlichen Akzenten. Wir suchen einerseits eine solide Verankerung im materiellen Leben und erwerben das notwendige Gepäck für die irdische Reise. Doch daneben gibt es bei einigen eine Empfänglichkeit für die Signale eines inneren Lebens und Wissens, und sie versuchen, dies näher zu ergründen. In meist unerwarteten Momenten öffnet sich ihnen ein Fenster mit atemberaubenden Perspektiven. Da ist etwas gewachsen und gereift, ein innerer Kompass zeigt sich. Die Worte „Mensch, erkenne dich selbst“ treten ins Bewusstsein. Parallel dazu erklingt aber auch die Aufforderung, „dem Kaiser zu geben, was dem Kaiser ist“.
Das Lernziel ist der Himmel, die Schule ist die Erde, eine Dualität, die ihre Komplikationen hat. Dieser zweifache Strom gehört zu uns, wir müssen ihm Rechnung tragen in unserem Denken und Handeln, wenn eine harmonische Entwicklung stattfinden soll. Andererseits sehen wir uns immer wieder vor eine Wahl gestellt: Passt die Suggestion, die Inspiration, in das normale irdische Drehbuch oder überschreitet sie seine Grenzen? In welche Richtung will sie uns lenken? Wer ist es eigentlich, der die Wahl trifft, wer ist es, der unser Tun und Lassen steuert? Ein ganzes Spektrum irdischer Kräfte steht bereit, um in unser Ich einzutreten. Es will uns alle Ebenen und Aspekte der Erde schmecken lassen.
Und davon gibt es einige. Die Spanne reicht von fast paradiesischen Erfahrungen bis hin zu dem Menschen, in dem weder himmlisches Licht noch irdisches Vergnügen einen Berührungspunkt finden, der nichts mehr glaubt, nichts mehr erhofft, nichts mehr erwartet, in dem nur noch der Gedanke lebt: Ich will hier raus.
Nichts davon ist neu. Schon „von Anfang an“ versuchen Menschen, der irdischen Sphäre zu entkommen, obwohl sie oft nicht einmal wissen, wohin sie gehen sollen. Träume, Alkohol, Drogen, Computerspiele, Rockmusik, virtuelle Welten in allen möglichen Facetten, von einem harmlosen Rausch bis hin zum fatalen Trip. Weg, nur weg von dieser Erde, notfalls in das Vergessen – auch ohne Diplom.
Ist dieser Planet, den wir „Schule“ nennen, für uns überhaupt auf gute Weise bewohnbar? Wir tanzen auf der hauchdünnen Kruste einer glühenden Gaskugel, die sich mit rasender Geschwindigkeit um eine andere riesige Gaskugel dreht, die sich wiederum in einem noch größeren Karussell bewegt. Und das mit Geschwindigkeiten und Entfernungen, die sich kein Mensch vorstellen kann. Ist die Erde, ist die Welt menschenfreundlich? Für viele ist sie zu heiß, für andere zu kalt, alle sind bedroht von Krankheiten, Allergien und Naturkatastrophen, manche haben Angst vor Giftpflanzen oder Raubtieren und viele vor ihren Mitmenschen. Gegen all dies wappnen wir uns durch das, was wir Zivilisation nennen. Unsere Ausrüstung ähnelt in mancher Hinsicht einem Raumanzug. Doch alles ist bunt verpackt, oft mit einer paradiesischen Dekoration. Zwischen zwei Katastrophen sollen wir das Leben doch auch genießen …
Sind wir vielleicht in Wirklichkeit gar keine ursprünglichen Bewohner dieses Planeten, sondern eher „Astronauten“, die hier auf dem Weg zu anderen Sternen notgelandet sind, abgeschossen von kosmischen Titanen? Wir sind „auf dem Weg“, keine Frage, es liegt in unseren Genen. Denken wir an die Reisen, Pilgerfahrten, Bußfahrten, Safaris; immer sind wir unterwegs, irgendwohin, Hauptsache weit weg, weg vom Hier und Jetzt. Der ewige Ahasver auf dem Weg in eine unbekannte Ferne, zu einem Ziel, das immer mitzieht und uns daran hindert, uns zu „erden“.
Auf diese Weise bleiben wir Pilger und Fremdlinge im eigenen Haus. Als ob ein inneres Wissen uns immer wieder daran erinnerte, dass wir letztendlich doch nicht hierher gehören. Die Kapsel aber, die wir „Ich“ nennen und der Körper, den wir bewohnen, enthalten alles, um die „Schule“ hier erfolgreich beenden zu können.
Und dann können wir feststellen: In den Falten und Knoten dieser so unmöglichen Welt liegt der Weg zum wahren Menschsein verborgen. Die sogenannte Datenbank erweist sich als der ewige Quell, der alle Fragen hört und alle Antworten gibt. Sie ist das „Wort“, das wir im aktuellen Moment brauchen, unabhängig davon, ob es aus irdischen oder himmlischen Sphären stammt; die Datenbank ist der Begleiter, der mit uns die höchsten Freuden teilt und in das schwärzeste „Nichts“ hinabsteigt. Sie hat etwas zu tun mit „Liebe“. Liebe kennt keinen Unterschied. Sie gibt jedem die Antworten, die er braucht, mögen sie sehr erhaben oder sehr normal sein. Das, was sie sagt zu verstehen, ist allerdings eine Aufgabe, die wir bewältigen müssen.
Und wenn das ruhelose Getöse unseres Wesens einmal verstummt, hören wir die Posaune, die Stimme, die wir schon so lange mit uns und in uns tragen. Und wir erheben das Haupt, lauschen atemlos – und gehen. Wehrlos vielleicht, aber unbesiegbar.
Quelle:
Dieser Artikel wurde zuvor veröffentlicht in der Zeitschrift Pentagramm 2018, Nummer 4.