Hölderlin-Projekt Vertiefung und Verwandlung

Die 12 Impulse der Friedensfeier - 2 Annäherung

Hölderlin-Projekt Vertiefung und Verwandlung

 

 

Friedensfeier

(2)

Und dämmernden Auges denk ich schon,
Vom ernsten Tagwerk lächelnd,
Ihn selbst zu sehn, den Fürsten des Fests.
Doch wenn du schon dein Ausland gern verleugnest,
Und als vom langen Heldenzuge müd,
Dein Auge senkst, vergessen, leichtbeschattet,
Und Freundesgestalt annimmst, du Allbekannter, doch
Beugt fast die Knie das Hohe. Nichts vor dir,
Nur Eines weiß ich, Sterbliches bist du nicht.
Ein Weiser mag mir manches erhellen; wo aber
Ein Gott noch auch erscheint,
Da ist doch andere Klarheit.

 

2 Annäherung

 

Und dämmernden Auges denk ich schon …

Ihn selbst zu sehn, den Fürsten des Fests …

 

Eine Kraft aus der Tiefe berührt mich. Ein wenig kenne ich sie, aber nicht richtig. Sie hat mich schon oft berührt. Schon oft habe ich empfunden, dass mich etwas trägt, gerade in schwierigen Situationen.

Da war immer etwas, was mich wieder aufrichtete. Aber es trat nie richtig in mein Bewusstsein.

Wer ist der Fürst dieses Fests, das in mir stattfinden kann? Ich müsste ihn doch kennen. Vielleicht fehlen mir die Worte. Vielleicht gibt es gar keine Worte dafür. Ich will es erleben, will die Begegnung erfahren. So, wie ich es kann.

Ich spüre, dass eine große Tiefe in mir ist. Gibt es einen Boden in meinem Bewusstsein? Die Tiefe in mir bewegt sich. Sie kündigt sich an. Ich habe mich selbst nicht in der Hand, kenne den Boden meiner Existenz nicht. Aber ich vertraue dem, was ich spüre.

Das Gedicht hat eine schöne Sprache: Der Fürst des Fests „verleugnet“ sein „Ausland“. Er kommt aus dem Unfassbaren in mir. Aus unendlicher Weite, Höhe, Tiefe. Aber er nimmt „Freundesgestalt“, senkt sein Auge, beschattet es. Die Kraft des Grenzenlosen gleicht sich mir an.

Wie soll ich mit ihr umgehen? Gewachsen bin ich ihr auf jeden Fall nicht.

Der Dichter stammelt: „Nichts vor dir, / nur Eines weiß ich: Sterbliches bist du nicht“. Ich merke, wie klein ich bin gegenüber dem, was da auf mich zukommt. Und doch gehört es zu mir. Irgendwie bin ich es. Das hatte ich vergessen. Das war verschwunden. Ich wusste nicht, wer ich auch noch bin.

 


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Date: April 11, 2020
Author: Gunter Friedrich (Germany)
Photo: Pastell von Franz Karl Hiemer (Wikipedia)

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