Hölderlin-Projekt Vertiefung und Verwandlung

Die 12 Impulse der Friedensfeier - 9 Das Fest

Hölderlin-Projekt Vertiefung und Verwandlung

 

Friedensfeier

(9)

(… der Festtag,)
Der Allversammelnde, wo Himmlische nicht
Im Wunder offenbar, noch ungesehn im Wetter,
Wo aber bei Gesang gastfreundlich untereinander
In Chören gegenwärtig, eine heilige Zahl
Die Seligen in jeglicher Weise
Beisammen sind, und ihr Geliebtestes auch,
An dem sie hängen, nicht fehlt; denn darum rief ich
Zum Gastmahl, das bereitet ist,
Dich, Unvergeßlicher, dich, zum Abend der Zeit,
O Jüngling, dich zum Fürsten des Festes; und eher legt
Sich schlafen unser Geschlecht nicht,
Bis ihr Verheißenen all,
All ihr Unsterblichen, uns
Von eurem Himmel zu sagen,
Da seid in unserem Hause.

 

9 Das Fest

Himmlisches und Irdisches sind „in Chören gegenwärtig“, in „heiliger Zahl“, sagt der Dichter. Die „Seligen“ sind mit dem „Geliebtesten“, „an dem sie hängen“, vereint. Ein heiliges Mahl, eine Friedensfeier.

In Gemeinschaft mit Gleichgesinnten habe ich so etwas erfahren. Die Seelen verbinden ihre Kräfte, und so können sie tief berührt werden vom Göttlichen. Was ist die Nahrung bei einem solchen Mahl? Es ist geistige Kraft. Schöpferisches fließt in uns hinein. Wir essen von dem, der wir im Ursprung sind. Wir trinken Lebenskräfte, die uns herausheben aus allem Bisherigen.

Das Fest findet in mir statt, meine Seele ist weit ausgebreitet. Ich habe die Empfindung, dass die Augen der Seligen, die Augen der befreiten Seelen, auf mich gerichtet sind. In einer nicht beschreibbaren Freude. Energien erfüllen mich, sie verwandeln sich in mir. Werden zu Wahrnehmung, werden zu Erkenntnis. Sie durchdringen meinen alten Körper.

Der Feuerfunke ist entflammt. Er hat mich ergriffen. Er und ich, wir sind in seinem Licht vereint. Der Dichter deutet hin auf das Sonnenleben im All, auf den Christus. Ich erlebe die geistige Sonne in mir, den Christus in mir.

Und die „Seligen“ aus allen Welten, Kulturen und Religionen feiern mit. Zusammen bilden wir den Kreis um die universelle Sonne.

Wir sind wie Strahlen. Wir mildern die Sonne ab und sie strahlt durch uns in alle Richtungen. Das Licht – der Sohn – das Bewusstsein.

… darum rief ich
Zum Gastmahl, das bereitet ist,
Dich, Unvergeßlicher, dich, zum Abend der Zeit,
O Jüngling, dich zum Fürsten des Festes; und eher legt
Sich schlafen unser Geschlecht nicht,
Bis ihr Verheißenen all,
All ihr Unsterblichen, uns
Von eurem Himmel zu sagen,
Da seid in unserem Hause.

In bin weit herausgegangen aus meinem Haus, aus meinem alten Körper. Ich war irgendwie ausgebreitet im All. War ergriffen von einer zentralen Sonne. Zusammen mit vielen anderen war ich lebendiges Licht.

Es war eine ekstatische Erfahrung. Nun ist sie vorbei. Bin ich nun wieder getrennt von allem?

 


Text herunterladen

Share this article

Don't Miss Out

Would you like to receive updates on our latest articles, sent no more than once a month? Sign up for our newsletter!

Our latest articles

Article info

Date: April 18, 2020
Author: Gunter Friedrich (Germany)
Photo: Pastell von Franz Karl Hiemer (Wikipedia)

Featured image: