Wu Wei in der chinesischen Malerei

Wer führt den Pinsel?

Wu Wei in der chinesischen Malerei

Wu Wei ist ein Begriff aus dem Taoismus und taucht zum ersten Mal im Daodejing auf. Wu Wei wird allgemein als Nicht-Tun übersetzt. Es ist eine Lebenshaltung, die auch in der chinesischen Malerei praktiziert wird. Dabei wird immer wieder dasselbe Motiv gemalt – etwa ein Berg oder ein Baum. Was könnte das mit Nicht-Tun zu tun haben? Wird es nicht langweilig, immer dasselbe Motiv zu malen?

Es geht nicht in erster Linie um das Motiv oder das Ergebnis des Malens, sondern um den Prozess. Der Künstler übt sich in einer Lebenseinstellung. Er versucht, sein Schaffen in Einklang mit Tao zu bringen. Tao wird nach chinesischer Tradition das Ursprungsprinzip genannt, durch das alles entsteht und lebendig gehalten wird. Es ist ein höheres, geistig-göttliches Ordnungsprinzip, das in seiner Weisheit das menschliche, rationale Auffassungsvermögen weit übersteigt.

Der Maler richtet sich an dieses höhere Prinzip und stimmt sich darauf ab. Nicht er will mehr der Handelnde, der Malende sein, sondern Tao soll durch ihn, durch seine Hand wirken können. Er „tut“ und tut dennoch nicht. Er steht aktiv im Nicht-Handeln. Man könnte es auch ein Nicht-Eingreifen nennen, ein Nicht-Eingreifen in die Gesetze Taos. Der Maler lässt diese Gesetze intuitiv durch sich wirken; er versucht, sich mit dem schöpferischen Wirken Taos zu vereinen, es im Bildmotiv zu erkennen und wiederzugeben. Durch den Malprozess lernt er zu unterscheiden, inwieweit er noch seinen Eigenwillen umsetzen möchte oder Tao in sich wirken lassen kann. Denn Tao ist in allem, ohne Tao ist nichts.

Übe dich im Nicht-Tun, und alles fügt sich zum Guten.

                                                                               Laotse

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Datum: Juni 3, 2020
Autor: Anita Vieten (Germany)

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