Wir können nicht leugnen, dass es in unserer heutigen Welt viele Krankheiten gibt. Trotz aller Arten von Heilmitteln, natürlichen und im Labor hergestellten, gibt es weiterhin Krankheiten. Ihre Vielfalt nimmt in erschreckendem Maße zu, so dass ihre Heilung zu einer ständigen Herausforderung wird, wenn Heilung überhaupt möglich ist. Wie immer deutlicher wird, wird viel Zeit, Mühe und Geld dafür aufgewendet, dies zu versuchen. Wie viele Menschen halten tatsächlich inne und werden dessen gewahr? Und hören dann auf mit all den hektischen Aktivitäten, der Einnahme von Medikamenten oder Wundermitteln, dem Ausprobieren von Übungen oder Techniken, um zu betrachten, was Krankheit tatsächlich bedeuten kann. Gerade jetzt, während der anhaltenden weltweiten Pandemie und dem Auftreten einer scheinbar mysteriösen Krankheit, die als Long Covid bekannt ist, werden viele Menschen durch Lethargie und völlige Erschöpfung gezwungen, ihre Aktivitäten sehr stark zu reduzieren und werden zwangsläufig an etwas herangeführt, das sich „Ruhe“ nennt!
Wie heutzutage allgemein zu beobachten ist, wird das Bedürfnis nach Ruhe, nach einer „Auszeit“ zwar erkannt, aber nicht immer befolgt. Die Ruhe wird uns aufgezwungen! Ruhe schafft Raum zum Nachdenken, Zeit, um innerlich mit sich ins Reine zu kommen, aber man muss bereit sein, diese Gelegenheit zu nutzen. Ruhe ist von unschätzbarem Wert, und wenn dies nicht erkannt wird, kann sie uns durchaus durch Krankheit aufgezwungen werden. Wir sind zu schwach, zu gebrechlich, zu krank, um etwas anderes zu tun als zu ruhen, still zu sein.
In der Krankheit entsteht Stille – sie ist für die Genesung unerlässlich. Allzu oft werden uns Pillen, Heilmittel oder was auch immer verschrieben und wir werden ermutigt, unseren Weg fortzusetzen, ohne darüber nachzudenken, was unsere Krankheit verursacht haben könnte und welchen Nutzen es haben könnte, durch Krankheit zur Stille zu gelangen. Krankheit führt im Allgemeinen zu Veränderungen. Indem wir krank werden und vor allem, indem wir eine Zeit lang innehalten, wenn wir die Möglichkeit dazu haben, können wir beginnen, die Dinge anders wahrzunehmen, Dinge aufmerksam zu betrachten, für die wir bislang zu beschäftigt waren. Wir erleben eine andere Perspektive.
Aus einer persönlichen Erfahrung mit der Krankheit, die mit Long Covid verbunden ist, haben sich die folgenden Erkenntnisse herauskristallisiert. Erstens, Krankheit nicht gering zu achten, sie nicht als Schwäche zu sehen, sondern aus spiritueller Sicht als ein Tor, das den Zugang zu einer anderen Realität eröffnen kann. Es ist auch wichtig, der Krankheit zu erlauben, ihren Lauf zu nehmen, und zwar solange sie eben dauert. Ihre Anwesenheit anzuerkennen, sie nach Bedarf zu behandeln, aber die Genesung nicht zu forcieren und unbedingt zur Normalität zurückkehren zu wollen. Schließlich scheint es die so genannte Normalität nicht mehr zu geben. Krankheit hat einen Anfang und ein Ende. Wir müssen die Rolle der Krankheit im Heilungsprozess des Körpers wertschätzen – körperlich, geistig, seelisch und letztlich auch spirituell. Die Verbindung mit dem weltlichen Geschehen für eine gewisse Zeit unterbrechen und nach innen schauen. Entdecken, was aus innerer Sicht notwendig ist, um uns von der Erkrankung zu erholen und uns im Laufe der Zeit von ihr zu lösen, ebenso wie die zahlreichen Lasten, die wir auf vielen Ebenen in unserem Leben tragen und vielleicht loslassen müssen. Im Wesentlichen geht es darum, still zu werden. In dieser Stille liegt die Chance, dass sich langsam, aber sicher eine neue Realität herausbildet, die auf einer anderen Ebene liegt als unser Alltagsleben und eine ganz andere Perspektive bietet. Die vielleicht zunächst flüchtige Wahrnehmung einer Realität, in der eine Freiheit und ein Frieden aufleuchten, die sich zuvor nicht offenbaren konnten.
In der Stille, der Stille des Krankseins, lassen wir zu, dass unser Körper von etwas völlig Neuem durchdrungen wird. Die Stille des Krankseins wird zur Stille des Lebens.