Eines anderen sei nicht

Eines anderen sei nicht

Einige Überlegungen, Gedankensplitter zur Geburt des Menschen, der Menschheit.


alterus non sit,
qui suus esse potest

Eines anderen sei nicht,
wer er selbst sein kann.

Lebensmotto, Wahlspruch des Paracelsus

 

Die Menschheit ist dabei, kollektiven Selbstmord zu begehen,
da zu wenig individuelles Vermögen vorhanden ist.

Jan van Rijckenborgh

1

Hypnose – Beinahe alle großen Weltenlehrer, Meister, Philosophen und Propheten gebrauchen Ausdrücke wie Erwachen oder Aufwachen des Menschen, wenn er seine innewohnenden, göttlichen Aufgaben erfüllen soll. Der größere Teil der Menschheit ist noch immer versunken in einen tiefen, hypnotischen Schlaf, verursacht durch Angst und Aberglauben. – – – Es drängt sich bald einmal die Frage auf, was ist es, das im Menschen erwachen soll? Aus eigenem Erleben erfahren wir, (mindestens) zweifache Wesen zu sein, einmal ist da unsere Persönlichkeit mit dem üblichen Bewusstsein, das sich mehr oder weniger dauernd um die äußeren Dinge, ihre Werte und Dramen dreht, beschäftigt mit Ängsten und Sorgen, und irgendwann, wenn’s reicht, mit dem Körper stirbt; dann sind wir aber auch kosmische Geschöpfe mit so etwas wie einem universellen Bewusstsein, einem Allbewusstsein, einer tiefen Berufung, die sich uns auf vielerlei, oft erstaunlichen Wegen bemerkbar macht. Und zwar dann, wenn wir unsicher werden in den gewohnten Dingen, wenn wir Fragen zu stellen beginnen, wenn wir erkennen, wie Unrecht und Korruption, Lügen und Missachtung einfacher menschlicher Werte offensichtlich werden.

2

Macht – Die Mächtigen aller Zeiten kreieren Systeme, Gedankenformen, Wünsche, Ängste, setzen Trends in die Welt, die gleich Wellen durch die Häupter und Herzen der Menschen wogen. Meinungsmacher, Influencer, Einflüsterer aus vielen Richtungen wecken Wünsche, erzeugen Emotionen, Begeisterungen, Ressentiments, drängen zu Kampf oder Unterwerfung, Resignation. Die Menschen werden benutzt, ihre Energien und ihre Lebenskraft werden in Anspruch genommen, sie werden „fremdgelebt“. Das kann natürlich nur solange gehen, solange wir mitmachen, solange wir uns benutzen und wider besseres Wissen, unsere Intuition also, „überwältigen“ lassen. Die Lenker in den Lebensbereichen, in denen wir miteinander verflochten sind, suggerieren offen oder verdeckt: Wenn ihr das macht, was wir euch sagen, dann könnt ihr glücklich werden, gesund und in Frieden und Freude leben. Das Paradies ist zwar noch nicht jetzt da, aber ein bisschen davon könnt ihr für euch zur  Wirklichkeit machen … Und natürlich die Angst-Macher: Wenn ihr nicht, dann … werdet ihr schwer krank, siech und sterbt und keiner, keiner wird euch bedauern, wir haben es im Guten gemeint und gesagt … So werden sehr viele Menschen gleichsam sich selbst weggenommen, werden ihnen ihre Lebensinhalte von außen geliefert.

Und diejenigen, die diese Kreisläufe am Leben erhalten, sind selber Opfer, komplizierte Opfer, sind selbst von untergründigen Strömungen erfasst, oft todunglücklich, von tiefsten Ängsten geschüttelt und noch unfreier als wir und das Gros der Zeitgenossen. In dem Maße, wie größere Teile der Menschheit in Selbst-Verantwortung und ihrem intuitiven Vermögen erwachen, haben auch sie die Möglichkeit zu gesunden.

So wie in den früheren Zeiten die diversen Kirchen mit Hölle und Verderben drohten, falls wir ungehorsam sind, so sind es heute Teile der Naturwissenschaften und damit verbundene wirtschaftliche Interessen, die über den ganzen Planeten hin die Völker in materialistische Sichtweisen zwingen, oder zumindest es versuchen. Nicht umsonst sprechen spirituelle Lehrer vom „Wahn der Wissenschaft“[i]und meinen damit den Szientismus, den Glauben, dass die Naturwissenschaften den ganzen Menschen erklären könnten. Der Schmerz innerer Leere, das Leiden in und um uns herum, die EntTäuschungen, die wir tagein tagaus erleben, das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit, das so offensichtliche Unrecht, das uns auf Schritt und Tritt begegnet, lässt Zorn und Widerstand in den Menschen aufflammen, und auch die Bereitschaft – trotz deutlicher Konsequenzen wie Ausgrenzung, Verspottung, Missachtung, ja mancherorts Verfolgung – in den gewohnten, gesellschaftlichen Systemen und Strömungen nicht mehr mitzumachen. Der erste Schritt im Erwachen besteht dann in einem Innehalten, einem meist unvermuteten und überraschenden und vielleicht sogar überwältigenden Berührtwerden, Ergriffenwerden von einer anderen Weltordnung, eine Wirklichkeit, die der Aufmerksamkeit bislang vollständig entgangen war.

Überblicken wir wie im Vogelflug die Geschichte unserer Zeitrechnung, so sehen wir an deren Beginn einen mächtigen geistigen Impuls – Christus, den Sonnenlogos. Dieser Impuls ergießt sich in die Welt mit dem Auftrag an die Menschheit, sich der eigenen Berufung als Bild der Gottheit zu erinnern und diesen Ruf im eigenen Leben Wirklichkeit werden zu lassen und zwar durch eine radikale Abkehr von den alten Göttern, Lehren und Methoden. Seitdem wird zu uns gesprochen, ob wir nicht wissen, einem königlichen und priesterlichen Geschlecht anzugehören, ob wir vergessen haben, Miterben und Bewohner des Königreichs der Himmel zu sein? Seit mindestens 2000 Jahren wird der Mensch gerufen, individuell und in Gruppen Gleichgesinnter seine Bestimmung zu verwirklichen. Naturgemäß war das den Mächtigen der damaligen Zeit genauso unwillkommen wie auch in den nachfolgenden Jahrhunderten. Gibt es nur einen einzigen Grund, warum es heute anders sein sollte? Die Dramen der Geschichte, – genau besehen alle Kriege aller Zeiten – sind nichts als ein fortgesetzter Kampf gegen das Licht der „anderen Welt“, ein Kampf zwischen Aufbruch und Unterdrückung oder Ablenkung. Die Renaissance, vor einigen hundert Jahren in Italien begonnen und von dort aus Teile der Welt verändernd, ist nur möglich geworden, indem Schritt für Schritt der Boden einer neuen Freiheit erkämpft wurde mit heldenhaft ertragenem Leid Unzähliger, mit Verfolgung und Verbannung, Scheiterhaufen und Kerker – – –, doch die Wiedergeburt des Menschen schreitet gerade deshalb voran, unaufhörlich, zeitlos; in aktueller Gegenwart hat sie eine bislang vielleicht nur erahnte, erhoffte Dynamik erlangt. Über die ganze Erde geht ein geheimnisvoller Ruf zur Menschheit. Die Krisen aller Zeiten haben zu allen Zeiten die Menschen aufgebrochen und drängen zur Erneuerung, zur Wiedergeburt, zur Renaissance. Der venezolanische Arzt, Diplomat und Philosoph Dr. Adolfo Aristeguieta Gramcko sprach schon vor Jahrzehnten von einer Zeitenwende, in die wir eintreten, die die alte Renaissance bei weitem übertreffen werde; die Visionen der Alten sollten strahlende, beglückende Wirklichkeit werden …[ii]

3

Aufbruch – Ein Aufbruch ist in unserem alltäglichen Geschäftig-sein möglich, jedoch erst nach dem Erwachen. Aufbruch, ein wunderbares Wort mit zwei Bedeutungen, die rasch ins Auge springen. Einerseits zerbrechen, andrerseits auf den Weg machen. Vor dem Erwachen der seelischen Möglichkeiten-in-uns muss oft ein Zerbrechen unserer Einstellungen geschehen, unserer Glaubenssätze und Gewohnheits-Matrizen, unseres oft so stumpfen, blinden Automatismus‘. Und gleichzeitig kann es zum Aufbruch in einen spirituellen Realismus kommen, der uns nicht nur das Neue, Lichtvolle ahnen lässt, sondern uns zur großen Veränderung in ein Leben drängt, das es möglich macht, aus dem verborgenen Funken eine Flamme, aus der Flamme ein Feuer entstehen zu lassen, das unser ganzes Wesen in einen großen Prozess der Veränderung, der Erneuerung führt. Was geschieht bei dieser Veränderung? Das Licht des göttlichen Funkens spiegelt sich in uns hinein. Es berührt zunächst unsere mentale Sphäre und verlangt nach einem neuen Denken. Der Verstand soll zu einem Sinnesorgan, einem Reflektionsorgan werden, in dem sich unser wahres, unser eigentliches Wesen spiegelt – und das in immer neuen, immer weiterreichenden Facetten. Es will verstanden werden, will begrüßt, will von uns aufgenommen und verwirklicht werden, von uns, seinem Abbild. Was geschieht bei dieser Veränderung? Das Licht des göttlichen Funkens spiegelt sich in uns hinein. Es berührt zunächst unsere mentale Sphäre und verlangt nach einem neuen Denken. Der Verstand soll zu einem Sinnesorgan, einem Reflektionsorgan werden, in dem sich unser wahres, unser eigentliches Wesen spiegelt – und das in immer neuen, immer weiterreichenden Facetten. Es will verstanden werden, will begrüßt, will von uns aufgenommen und verwirklicht werden, von uns, seinem Abbild. Das Selbst, das bislang schlummernd in uns lag, will zu sich selbst erwachen – und damit zu kosmischer Bewusstheit und Herrlichkeit. Dazu ruft es in uns ein neues Denken, ein intuitives innerliches Verstehen hervor.

Wir sollen nicht anderer Menschen und ihrer Gedankenströme sein, sondern dem Anderen in uns angehören, dem bislang Unerhörten, dem mit unseren bisherigen Gedanken Undenkbaren. Er will sich selbst in uns denken. Und wir sind aufgefordert, mitzudenken. Unser ganzes Wesen wird davon ergriffen und erschüttert. Auf diese Weise baut er uns um – und wir lassen es zu. Eine Revolution findet in uns statt, eine Renaissance, größer, als es die erste war.

In einem schauenden Denken vereinen wir uns miteinander, er mit mir, ich mit ihm. Daraus entsteht das Neue, das in dieser Form noch nicht Dagewesene: Das kosmische ICH.

Sein oder Nicht-Sein, Opfer oder Nicht-Opfer, das ist die eigentliche Frage. Das heißt, je bewusster eine Gruppe von Männern und Frauen sich in die Prozesse der eigenen Transformation stellt und den Mut hat, davon auch im äußeren Leben standhaft ein Zeugnis abzulegen, desto mehr werden vielleicht noch zögernde, zaudernde Menschen gleichsam angesteckt, in diese Freude der Erneuerung einzutreten.

Eines anderen sei nicht, wer er selbst sein kann!


[i]   Siehe z.B. Jan van Rijckenborgh in: Der kommende neue Mensch und  Der Ruf der Rosenkreuzer-Bruderschaft. Auch bei Rudolph Steiner , Krishnamurti und anderen finden sich zahlreiche Hinweise in diesem Sinne.

[ii]  Im persönlichen Gespräch im Nov. 1993 anlässlich eines Paracelsus-Sypmosiums zu dessen 500. Geburtstag in Carracas

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Datum: Juni 4, 2024
Autor: Klaus Bielau (Österreich)
Foto: river-emetelev9tv auf Pixabay CCO

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