Die Menschheit bahnt sich ihren Weg durch das Leben und die Zeit, in einem ständigen Fluss der Veränderung. Doch der Mensch ist das einzige Lebewesen, das sich inmitten dieses ständigen Wandels fragen kann, warum.
Was ist der Sinn meines Daseins?
Tatsächlich ist mit dieser Frage bereits der erste Schritt getan, das erste Ziel erreicht – viele stellen sich diese Frage gar nicht. Sie begnügen sich damit, ihr eigenes Wohlergehen als einziges Ziel zu verfolgen, oder sie lassen sich bestenfalls von äußeren Autoritäten wie dem Staat, der Kirche oder einer Ideologie eine Antwort vorgeben und orientieren sich daran.
Ist Veränderung an sich ein Ziel? Wenn wir das Leben genau betrachten, werden wir sehen, dass sich alles irgendwann in sein Gegenteil verkehrt – und wenn wir dies ernsthaft prüfen, dann werden wir zu der Einsicht kommen, dass dies notwendig ist. Nur so wird sich der Mensch der Dualität seines eigenen Seins und der Welt bewusst. Gut und Böse, Liebe und Hass, Geburt und Tod – der Mensch trägt diese beiden Pole in sich.
Diese ständige Bewegung zwischen diesen entgegengesetzten Polen kann im Menschen Spannungen erzeugen, die sich aufstauen können und sich dann entladen müssen, in der Regel in seiner Umgebung. Auf diese Weise ist der Wandel eine Konstante. Was aufgebaut wurde, wird im wahrsten Sinne des Wortes auch wieder abgebaut, und dieser Prozess ist immer mit Spannung und Gewalt verbunden. Wir wehren uns gegen Veränderung und Verlust. Doch Unvollkommenes kann nicht dauerhaft bestehen bleiben. Kaum ist das letzte Friedensdenkmal errichtet, droht ein neuer Konflikt auszubrechen.
Dieses Gesetz der Dualität macht die Zerstörung von Häusern, Gebäuden und Infrastruktur, und ja, auch von vielen Menschenleben, unvermeidlich. Und das Wort „unvermeidlich“ ist hier sehr passend, denn sich der Natur der Dualität bewusst zu werden, ist eng mit der inneren Erfahrung der Realität ihrer Unvermeidlichkeit verbunden. Nur aus der Fülle dieser Einsicht kann die Sehnsucht erwachsen, sie zu transzendieren, nach wahrer Balance, Harmonie und Einheit zu streben.
Konflikt bedeutet gesteigerte Wahrnehmung.
Lao Tse sagt in seinem Tao Te King:
Die Alloffenbarung ist nicht menschenfreundlich.
Jan van Rijckenborgh sagt dazu:
Wenn die Bibel über Liebe spricht und sagt: „Gott ist Liebe“, dann meint sie damit etwas total anderes als wir.
Gottes Liebe ist Licht! Es ist eine Liebe, die zur Bewusstwerdung der Dualität beiträgt und die jenen Licht schenkt, die zur Einheit, zur wahren Menschlichkeit zurückkehren wollen. Wir hingegen müssen mit der Vorstellung leben, dass die Liebe, wie wir sie kennen, ihr Gegenteil, den Hass, hervorbringt.
Oder wie Lao Tse sagt:
Weil alle unter dem Himmel behaupten, dass schön schön ist, kommt das Hässliche an den Tag.
Und der Hass ist der Beweis, dass die wirkliche Liebe dem Menschen unbekannt und in dieser Welt nicht zu finden ist. Wer die Liebe kultiviert, kultiviert den Hass – das ist ein unvermeidliches Gesetz. Die Waage, die Liebe und Hass abwägt, ist ständig in Bewegung und kann nie das wahre Gleichgewicht finden.
Deshalb sagt Jan van Rijckenborgh:
Liebe und Hass werden abwechselnd in der einen oder anderen Form geweckt, und der Mensch wird zum „Heizer“ seiner eigenen Lebenshölle.
Können Sie sich nun vorstellen, dass Tao außerhalb davon steht?
Und doch gibt es Hoffnung für den Menschen, eines Tages zur Einheit zurückzukehren, die wahre Liebe der Seele zu erkennen, ja, diese Liebe zu sein! Dazu ist zuerst Bewusstwerdung notwendig, so schmerzhaft dies auch sein mag. Auch wenn es in Form des Konflikts geschieht, der Intensität und Schärfe in unser Bewusstsein bringen kann.
Was können wir also tun, um diese Waage der Dualität ins Gleichgewicht zu bringen? Wir können in die Stille des inneren Gleichgewichts eintreten, uns nicht von den Emotionen mitreißen lassen, die immer wieder aufflammen. Nur in der Reinheit der inneren Stille können wir uns unserer Aufgabe als Mensch bewusst werden: das Ego, unser „Ich“, loszulassen und an der neuen Seele zu bauen. Und mit unserem inneren Ohr auf die Stimme der Seele zu hören, auf das Flüstern aus der Welt der Einheit. Dann bricht in der neugeborenen Seele, die aus der Einheit lebt, die Einsicht durch, wie wir diese Liebe verbreiten, wie wir diese Liebe sein, wie wir sie austragen und die Menschheit in Liebe umfassen können.
Wir zitieren Catharose de Petri aus ihrem Buch Das Lebende Wort:
Offenbart Gott es dem Gotteskind nicht überdeutlich, dass er einen großen Plan mit Welt und Menschheit hat? Und kennen wir nicht die Richtigkeit des Wortes: „Gott kann nicht lassen die Werke seiner Hände?“ Der Plan für uns, seine Kinder, muss ausgeführt werden. Und alle Spannungen, alle Schmerzen in dieser Welt sind die Folgen des Widerstands gegen den göttlichen Plan, gegen seine Liebestaten. Der Protest gegenüber der göttlichen Liebe entsteht aus der Täuschung und aus der Unwissenheit über den Plan, der in Christi Kraft leuchtet.
Der Plan: Das ist der vollkommene, göttliche Mensch. Mitzuhelfen, die Täuschung und Unwissenheit zu durchbrechen, ist die Aufgabe derjenigen, die den Plan verstehen, und dabei die Unvermeidbarkeit des Konflikts zu akzeptieren, sich nicht ablenken zu lassen und immer auf das Licht gerichtet zu sein. Um so, mit den inneren Vermögen des empfangenen Seelenlichts, etwas für die Mitmenschen bedeuten zu können.
References:
[1] Jan van Rijckenborgh and Catharose de Petri, The Chinese Gnosis, chap. 5 The All-Manifestation does not love as humans do, page 55, Rozekruis Pers, Haarlem 2018
[2] Ibid, pg. 58
[3] Ibid chap. 2
[4] Catharose de Petri, The Living Word, chap. 11 The struggle and purpose and the realisation of life, pg. 64, Rozekruis Pers, Haarlem 2001