In der heutigen Zeit steht der Mensch vor einer Schranke. Er kann erwachen wie aus einem Albtraum und sich fragen, ob er noch Herr seiner selbst ist.
Es kann zur Selbsterkenntnis gelangen und sich dazu entschließen, seinem wahren göttlichen Selbst die Leitung seines Lebens zu übergeben. In diesem Zusammenhang durfte ich eine beglückende Erfahrung machen.
Der kosmische Drang zum gleichen Ziel
Ist es uns bewusst, dass wir uns in einer spirituellen Einheit mit allen anderen Lebewesen befinden?
Alle sind wir Schöpfungen derselben Lebens- und Bewusstseinsquelle. Wir durchlaufen zwar unterschiedliche Entwicklungsschritte, doch drängt jedes einzelne Lebewesen, bis hin zum kleinsten Atom, zum gleichen Ziel, um seinen Platz in der absoluten Harmonie in der Welt des Stoffes und des Geistes einzunehmen.
Diese absolute universelle Harmonie verwirklicht sich auf der Grundlage der spirituellen Einheit allen Lebens und ihrer Entfaltung in rhythmischen, pulsierenden Wachstumsprozessen.
Das Leben der Pflanzen, Tiere, Himmelskörper, der Gezeiten … und auch das äußere und innere Leben des Menschen verläuft in Rhythmen und Zyklen, die dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterliegen. Die indische Philosophie bezeichnet es als das Gesetz des Karma, demzufolge jede gedankliche oder physische Tat des Menschen (Karma bedeutet „Tat“) eine Wirkung hervorruft, die unter dem Richtmaß der göttlichen Gerechtigkeit (Nemesis), einen Ausgleich erfordert..
Diese Forderung erstreckt sich über den Tod eines Menschen hinaus. Die spirituelle Tatsache der Wiederverkörperung (Reinkarnation) liegt demnach den oben genannten universellen Bewegungen zugrunde. Sie beweist das sich ewig offenbarende universelle Leben aus dem göttlichen Ursprung, ermöglicht die wiederkehrenden Zyklen nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung und garantiert das schließliche Eintreten in die ewige, absolute, göttliche Harmonie und Liebe.
Wir sind freie Kinder des Universums und bleiben untrennbar mit ihm verbunden. Unser Schicksal ist verflochten mit dem kosmischen Plan, und die ausgleichende göttliche Harmonie wird für uns erfahrbar durch unser individuelles Karma. Unserem innersten Wesen nach sind wir unser göttliches Selbst, das uns als reines spirituelles Bewusstsein führt. Deshalb kann Karma niemals außerhalb von uns sein, und kein Gott lenkt unser Schicksal von außen.
Unser wahres Selbst ist der stille innere Zeuge, ist unsere höhere Natur, die alle karmische Aktivität in uns durchwirkt und doch von allem Karma unberührt bleibt.
Es gibt in unserem Haupt zwei Organe, durch welche die karmischen Energien wirken und die uns auf den entsprechend ausgleichenden Weg des Handelns, Fühlens oder Denkens führen:
- das Dritte Auge [1], das Dimensionen jenseits der physischen Welt wahrnimmt und sie uns durch Intuitionen mitteilt; denn es kann nach innen schauen und unseren wahren Zustand sehen,
- und die Zirbeldrüse, die in Verbindung zum Dritten Auge steht und den karmischen Drang im physischen Körper zum Ausdruck bringt.
Wir sind demnach der verkörperte Teil unseres Selbstes. Der physische oder elementale, der psychologische oder der intellektuelle Teil unseres Wesens sind bestimmte Aspekte unserer Konstitution, sie sind die grobstofflichen und feinstofflichen Hüllen, durch die sich unser inneres Selbst ausdrückt und wirkt. Noch sind wir nicht seine ideale Ausdrucksform, deshalb verspüren wir den Drang zur Transformation. Alle kosmische Aktivität entspringt letztlich unserer spirituellen Natur.
Als freie Kinder des Universums haben wir auch einen freien Willen und erfahren die göttliche Harmonie in dem Maße, in dem wir mit ihren Gesetzen und ihren Lebensströmen zusammenarbeiten. Wären wir nicht bereit, unseren Bruder zu verletzen, so hätte Karma–Nemesis keinen Grund zu wirken. Wir selbst gestalten und sind unser Schicksal.
Der Mensch ist ein lebendiger, kleiner Kosmos. Sein ganzer Körper bis hin zu den Atomen sprüht vor Leben. Die Lebensatome in ihm sind wie seine Kinder. Sie sind geprägt durch seine Gedanken, Gefühle, Wünsche und auch seine guten oder schlechten Gewohnheiten und Leidenschaften; so können sie gedeihen oder krank werden. Psychische und physische Krankheiten können auf diese Weise karmisch verursacht sein. Samen, die in vergangenen Leben gesät wurden, drängen ans Licht und manifestieren sich.
In diesem Moment, in der heutigen Zeit steht der Mensch vor einer Schranke. Dies gilt auch für unsere Gesellschaft, ja für die ganze Menschheit. Vor dieser Schranke stehend, kann der Mensch erwachen wie aus einem Albtraum und sich fragen, ob er noch Herr seiner selbst ist. Es kann zur Selbsterkenntnis gelangen und sich dazu entschließen, seinem wahren göttlichen Selbst wieder die Leitung zu übergeben.
Jede Krise und Krankheit sind ein karmisches Geschenk der göttlichen Harmonie und ihrer Gesetze, durch die sich der Mensch wieder seiner selbst und seiner wahren Aufgabe bewusst werden kann. Die absolute göttliche Harmonie bleibt ewig erfahrbar für ihn.
Eine beglückende Erfahrung
Krankheit und auch der Tod gehören zu jenen Erfahrungen, die der Seele eine größere Tiefe verleihen können. Dabei sind solche Erfahrungen nicht immer nur auf den leidenden Menschen beschränkt, die Seele kann mit engen Vertrauten eine tiefe Bindung eingehen, die für beide zu eine Quelle der Erkenntnis und Inspiration werden kann. Vor mehreren Jahren erkrankte ein Seelenfreund von mir an einer schweren Krankheit. Ich durfte ihn während seines letzten halben Lebensjahres seelisch begleiten, und diese Zeit entfaltete sich für uns beide zu Augenblicken ewiger Freude.
Anfangs, als er nach längerem Krankenhausaufenthalt nach Hause kam, wirkte er noch wie gefangen in einer astralen Sphäre der Angst. Er sah nur „Wasser“ unter und um sich, in dem gefährliche Wesen wirkten und ihm den Lebensatem raubten.
Er war 1940 zu Beginn des Zweiten Weltkrieges geboren, und die düstere Schwingungsebene dieser Zeit hatte seinen freien Atem behindert. Schon als kleines Kind war er an einer schweren Lungenentzündung erkrankt, die wohl während seines langen, relativ gesunden Lebens nie wirklich ausheilte. Erst spät brach sie in Form unterschiedlicher Symptome aus, die jetzt das Bild seiner Krankheit prägten.
Er schlief viel, wurde langsam ruhiger, und die Angst vor einem „Wasser“ um ihn schwand langsam. Ich konnte erfahren, wie unsere innere Verbindung Wahrnehmungen weckte, die überaschend und neu für mich waren. Einige Wochen vor seinem Tod strömte ein zarter Duft aus seinem Wesen, der mich beglückte. . Er erinnerte mich an den Duft von Neugeborenen, den ich manchmal als himmlisch empfunden habe. Ich konnte es kaum fassen, dass ein schwer kranker, alter Mann so einen überirdischen Duft ausstrahlen konnte.
Am letzten Abend seines Lebens erlebte ich ihn ruhig und gefasst. Ich stellte mich an das Fußende seines Bettes und wollte mich langsam verabschieden. Plötzlich sah ich, wie sich seine Brust aufbäumte und er um Atem rang. Im selben Moment blickte er mich an, und es schien mir, als beherrsche er seinen Atem und jage alle Elemente der Angst aus seiner Brust – ganz so, als sei er wieder selbst Herrscher in seinem „Tempel“ geworden. Er strahlte ein herrliches Licht aus, das mich mit ihm verband, und ich ging – nein ich „flog“ nach Hause und es war mir, als schliefe ich die ganze Nacht über in diesem Licht.
Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass er in der Frühe in aller Stille gestorben war, ohne dass es bemerkt wurde.
Vielleicht wird der Tod alles Irdischen, wenn die unsterbliche Seele erwacht, von ähnlichen Erlebnissen begleitet. Und vielleicht war das Erlebte ein Vorgeschmack auf etwas, das Krishnamurti wie folgt beschreibt:
Erst wenn all die Schichten unseres Bewusstseins zur Ruhe kommen und ganz still werden, dann erst öffnet sich das Tor zur unermesslichen Fülle, zu unserer Seligkeit des ewigen Augenblicks, in dem die Schöpfung immer neu geboren wird.[2]
[1] Das Dritte Auge befindet sich auf der Stirn des Menschen zwischen den beiden Augenbrauen .Es wird auch als das Auge Shivas bezeichnet, dessen Intuitionen ihn vor schlechten Einflüssen schützen.
[2] Jiddu Krishnamurti, Wegweiser zum wahren Leben, Hyperion Verlag, S. 106