Das alte Paradigma besagt, dass das Herz das Blut durch unsere Adern pumpt. Die wirklich genaue Bedeutung des Herzens ist jedoch, dass das Herz das Blut aufnimmt, empfängt, dem Blut zuhört und es dann wieder ausströmen lässt. Das Herz ist also ein „hörendes“ Organ.
(Charles Eisenstein)
Das Blut wird in der „Universellen Lehre“, der wissen- schaftlichen Esoterik, als Träger der Seele verstanden. Wir wissen aus Erfahrung und können es auch erspüren, dass unser Seelenzustand sich in die wechselnde chemi- sche Zusammensetzung unseres Blutes überträgt. Sehr schnell empfinden wir beispielsweise die biochemischen Reaktionen unseres Körpers als Herzklopfen und schnellere Atmung bei plötzlicher Angst. Das Blut fließt immer wieder durch das Herz, die Lungen und unseren ganzen Körper. In einer mechanistischen Sichtweise wird das Herz als Pumpe gesehen mit Ein- und Aus- lassventilen, die das Blut durch den Körper treibt. Bei einer differenzierteren Betrachtung von Herz, Blut und Körper erscheint jedoch das Blut als Organ, als lebender Organismus, der mit dem Herzen, der Seele und dem Körper in ständigem Dialog steht, in einer fortwährenden Übertragung und einem Austausch von Inhalten.
Im Jahre 1932 filmte Professor Bremer von der Harvard Universität den Blutfluss und beobachtete die Blutzir- kulation bei einem Tierembryo in seinen allerersten Entwicklungsstadien. Er erkannte eine selbstangetrie- bene Spiralströmung, bevor überhaupt ein funktionsfähiges Herz vorhanden war. Zuvor, im Jahre 1920, hatte Rudolf Steiner Ärzte darauf hingewiesen, dass das Herz keine Pumpe ist, die träges Blut unter Druck setzt, sondern dass das Blut sich durch seine biologische Eigendynamik antreibt. Es wird vom Herzen mit Schwung aufgeladen als Reaktion auf den Blutfluss. Der gemessene Blutdruck ist demnach nicht Resultat des Blutkreislaufs, sondern wird durch die Begrenzung dieses Kreislaufs zum Zeitpunkt der Messung verursacht. Bereits im Altertum wussten Ärzte, dass das Herz allein niemals in der Lage sein kann, den Kreislauf des Blutes aufrechtzuerhalten. Das Herz als zentrale Druckpumpe zu interpretieren, die einen sehr hohen Druck erzeugt, um auch entfernte Kapillaren versorgen zu können, ist kein wirklich elegantes Modell. Innerhalb der derzeitigen Grenzen des biologischen und medizinischen Denkens bleibt die treibende Kraft für die Bewegung des Blutes ein Rätsel.
Der Forscher Ralph Marinelli stellte 1995 in einem Artikel dar, dass das Blut frei pulsieren kann und nicht dem Druck des Pumpenmodells unterliegt, der die freie Pulsation einschränken würde. Die Arterien erfüllen in seiner Sicht eine dienende, herzähnliche Funktion. Sie liefern spiralförmige Impulse für das zirkulierende Blut. Dabei weiten sie sich, um das einströmende Blut aufzu- nehmen, und ziehen sich zusammen, um dem Blut einen Impuls zu geben und seine Bewegungsgeschwindigkeit zu erhöhen.
Im dem Film Bremers vom schlagenden embryonalen Herzen kann man auch sehen, dass das spiralförmig fließende Blut vom Herzen einen Schub erhält, ohne dass Turbulenzen im Blut entstehen. Das weist darauf hin, dass die Impulsübertragung zwischen Herz und Blut phasengleich erfolgt. Offenbar spürt das Herz die Bewegung des Blutes und antwortet darauf mit spiralförmigen Impulsen, die die gleiche Geschwindigkeit haben wie der Blutstrom. Die Impulse des Blutes und des Herzens wirken zusammen.
Das Herz als relativ kleines, aber maximal funktionsfähiges Organ besteht nicht nur aus Muskelgewebe, sondern auch aus dem permanenten Wirbel im Blutstrom. Dieser sorgt in seinem Zentrum für ein ständiges Vakuum, das vermutlich dazu beiträgt, den Rücktransport des Blutes aus den Kapillaren und Venen zum Herzen zu ermöglichen.
Branko Furst schreibt in seinem Buch The Heart and Circulation: An Integrative Model: Wenn man sich mit den Details der Herzfunktionen und dem Stand der Forschung befasst, die von verschiedenen Gruppen aus unterschiedlichen Perspektiven betrieben wird, kommt man zu keinem Konsens. Die Funktionen und Phänome- ne lassen sich nicht in ein einfaches Lehrmodell fassen. Das Rätsel bleibt.
In Fursts Buch wird deutlich, wie eng Herzfunktion, Blutfluss und Stoffwechselbedürfnisse des Organismus miteinander verwoben sind. Eine Anregung Rudolf Steiners aufgreifend, schlägt Furst vor, davon auszugehen, dass das Herz, obwohl von zentraler Bedeutung für die Erzeugung des Blutdrucks, nicht in erster Linie eine Pumpe ist, sondern (durch die Wirkung seiner Klappen und des Herzschlags) ein Organ, das den Blutfluss drosselt und rhythmisch reguliert. Furst zeigt außerdem auf, wie eng der Blutfluss fernab des Herzens mit der Stoffwechseltätigkeit der Organe und des Gewebes, durch die er fließt, verbunden ist. So kommt er zu dem Ergebnis: Das Blut selbst ist ein Organ. Würden wir die Idee akzeptieren, so Furst, dass das Blut zu einer auto- nomen Bewegung fähig ist, könnte der komplexe, sich ständig verändernde und modulierende Kreislauf besser verstanden werden.
Wenn wir nach einer Kraft suchen, die das Blut durch das Kreislaufsystem bewegen kann, kommen vor allem die Kapillaren in Betracht. Jede Zelle vibriert mikros- kopisch und verändert das Blut. Dies könnte die Kraft hinter der Blutzirkulation sein.
Die Gemütsverfassung bildet sich im Herzen
Gehen wir noch einen Schritt weiter im Dialog zwischen Herz, Blut und Körper, so finden wir eine nahezu unbekannte Sichtweise bei dem Rosenkreuzer Jan van Rijckenborgh:
Wenn wir an den Geisteszustand oder den Gemütszu- stand eines Menschen denken, dann lenken wir unwill- kürlich unsere Aufmerksamkeit auf das Herz. Einerseits bewegen sich alle Bewusstseinsströme vom Hauptheiligtum durch das Verlängerte Rückenmark (medulla oblongata) zum Herzen, wo sie empfangen werden. Anderer- seits sendet der Leuchter des Solarplexus, der unter dem Magen zwischen der Leber und der Milz liegt, zahlreiche Kräfte nach oben zum Herzen. […] Und in vielen Fällen empfängt das Herz direkte Ausstrahlungen aus dem zentralen Herzen des Mikrokosmos, dem Bereich der „Rose“. Die vielen Einflüsse werden im Herzen umgewandelt zu einer fundamentalen Gemütsverfassung, die ein ausstrahlendes Vermögen hat. Die Gemütsver- fassung vermischt sich mit dem Blut und steigt auf zum Haupt und besetzt dort alle Organe und bestimmt den Lebenszustand und Lebensweg des Menschen.
Verbinden wir diese kurze Beschreibung mit der Idee des Blutes als Organ, dann können wir die menschliche Realität sehr deutlich als ein ständiges Gespräch zwi- schen Geist, Seele und Körper nachempfinden. Unser Blut wird, wenn wir durch unser Leben, unser Bewusst- sein, unsere Ein-Sicht auf die rechte Weise mitarbeiten, ständig mit Lichtkräften des Herzens geladen, die in alle Organe und Zellen vordringen wollen zur Erfüllung des Planes, der unserer Existenz zugrunde liegt.
– Marinelli, Ralph and Fuerst, Branco et al, The heart is not a pump: a refutation of the pressure propulsion premise of heart function 1995
– Chitty, John, The heart is not a pump
– Fuerst, Branco, The heart and circulation, an integrative model, London 2014
– Rijckenborgh, J. van, The Egyptian Arch-Gnosis IV; II The heart and the state of mind, Rozekruis Pers, Haarlem