Sieben Stufen der Seelen-Bewusstwerdung – Teil 2

Wie Geist und Welt im Menschen Gestalt annehmen. Stufen der Erfüllung

Sieben Stufen der Seelen-Bewusstwerdung – Teil 2

(Zu Teil 1)

 

Fünfte Stufe: Die reif werdende Seele – Stufe des erneuernden Wachstums

Viele Jahre meines Lebens habe ich damit gerungen, mich nicht wirklich reif zu fühlen. Was heißt eigentlich Reife? Wann ist etwas reif?

Wenn wir in die Natur schauen und zum Beispiel reife Früchte untersuchen, entdecken wir, dass Reif-Sein etwas zu tun hat mit einer inneren Spannung, die gehalten werden kann.

Eine noch unreife Frucht ist zu hart. Eine überreife Frucht ist oder wird matschig und zerfällt. Dazwischen gibt es einen Zustand der Reife, in dem eine innere Verbindung, ein Zusammenhalt existiert. Für die gesunde Persönlichkeits- und Seelenentwicklung braucht es – und das immer wieder – den Reifezustand einer rechten Form, einer Verfassung, die zugleich durchlässige Form und geformte Durchlässigkeit ist (vgl. Karlfried Graf Dürckheim, Vom doppelten Ursprung des Menschen, Freiburg 1973, S. 167).

Ich erlebe den Zusammenhang von mir und allem um mich herum. Meine Öffnung zum Geistigen hat dazu geführt, dass ich auch für alles in der Welt offener bin.

Bin ich damit der Welt schutzlos preisgegeben? Zu ihr gehört auch mein Körper mit seinen Triebkräften. Sie wirken offen hinein in mich. Was geschieht mit mir? Was macht die Welt, was machen die geistigen Impulse mit mir? Ich stehe vor der Entscheidung, mich abzuschotten, um einfach zu mir selbst zu finden. Oder soll ich mich den geistigen Impulsen noch mehr hingeben, noch bewusster öffnen?

Ich entscheide mich für den zweiten Weg. In kleinen Schritten, mit Unsicherheiten aller Art und keineswegs geradlinig gehe ich weiter. Und es zeigt sich: Das Leben hilft mir. Inmitten meiner Aufgaben – in der Familie, im Beruf, im Umgang mit allem spüre ich, dass ich innerlich geführt werde. Ich finde mein Maß, auch bittere Erfahrungen helfen mir dabei.

Ich erlebe den inneren Spannungszustand und lerne, ihn auszubalancieren. Ich bin eine Art Mischgefäß für das, was aus meinem inneren Kern in mich einströmt und das, was aus meinem Umfeld kommt. Beides vermischt sich und nimmt neue Formen in mir an. Ich werde neu gestaltet durch das, was in mich eintritt. Ich erlebe mich als Schnittstelle der Geistkräfte und der Kräfte unserer Welt. Sie verwandeln sich aneinander – in mir. Ich stehe in einem nicht endenden „Stirb und Werde“, einem „Löse und Verbinde“.

Sechste Stufe: Die vernunftgeborene Seele – Stufe des Hervorbringens

Das ständige Hin und Her, das ständige Ausbalancieren, die immer neue Identität, die sich daraus ergibt, all dies mündet in eine neue Vernunft, ein neues „Vernehmen“ der Botschaften dessen, was in mich eintritt.

Ich bin empfänglich geworden für den Strom aus dem innersten Wesen. Innere Augen dafür beginnen sich zu öffnen. Noch sehr vage teilt sich mir der seelische Innenraum der Welt mit, der Kosmos des Seelischen. Eine neue Herzensschwingung entsteht. Ich kann auf die Intuition des Herzens unmittelbarer reagieren und bin bereit, sie zum Ausdruck zu bringen, so gut ich es kann.

Spiritualität und Alltag sind auf das Engste miteinander verknüpft. Keine Handlung, keine Situation ist unbedeutend. In der Zuwendung an einen Mitmenschen, an ein Tier oder eine Pflanze entsteht ein „Flow“, ein segensreiches Strömen. Die seelischen Räume der Beziehung werden deutlicher. Vernunft bedeutet für mich nun, immer wieder neu einen inneren Raum entstehen zu lassen, in dem das, was mir begegnet, mit dem Geist aus meinem Innersten verschmelzen kann. In diesen Innenräumen, in die der Geist eintreten kann, findet die Verwandlung statt, entsteht das Neue. Über die seelischen Innenwelten wirkt der Geist auf alles in der Natur ein, und der erwachende Mensch ist Brückenbauer, Schnittstelle, Begleiter, Ermöglicher.

Siebte Stufe: Die Ewige Seele – Stufe der Heimkehr

Diese Stufe hat mich von Anbeginn an berührt, ihre Impulse haben mich auf den spirituellen Weg geführt. Es geht um Heimkehr, es geht um mein Heimweh, meine Sehnsucht. Was ist Heimkehr anderes als die Vereinigung mit dem Göttlichen im meinem Innern? Dabei löst sich mein Äußeres nicht auf, nein, die innere Hochzeit gestaltet es immer wieder neu, um es schließlich zum Abbild des Innersten zu machen.

Unermesslicher Reichtum zeigt sich als Inhalt des Lebens, als Grundlage unseres Daseins. Er verlangt nach radikalen Verwandlungen, Verwandlungen, die aus dem Ursprung, der Wurzel heraus stattfinden.

Und ich erkenne schließlich: Dieser unermessliche Reichtum des Geistes will sich überall individualisieren. Alles, was in mich eintreten möchte und was ich in seiner Macht gar nicht aushalte, bin ich letztendlich selbst. Denn die Wurzel von allem ist auch in mir. Meine „Heimkehr“ betrifft damit die Heimkehr von allem.

Wenn der Urgrund der Schöpfung in mir erwacht, geht davon ein Impuls zu allem aus. Teilhard de Chardin spricht von dem „Punkt Omega“, der die ganze Materie und mit ihr jedes Lebewesen in einen neuen schöpferischen Auftrieb führen will.

Aber das passiert nicht automatisch. Wir sind gerufen, zum Sinn unseres Daseins durchzudringen. In der Weite des Evolutionsbogens können wir uns verlieren, vor allem, wenn wir das Kleine und Unbedeutende an uns in den Fokus nehmen. Doch gerade in unserer absurden Schwachheit will das Göttlich-Geistige erwachen, gerade hier will es seine Werke verrichten. So kommt es auf jeden von uns an. Jeder Gedanke, jede Handlung ist von Bedeutung und hat Auswirkungen im ganzen Kosmos.

Das Ewige des Geistes erweckt die ewige Seele und wartet auf unseren nächsten Schritt.

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Datum: November 1, 2020
Autor: Burkhard Lewe and Gunter Friedrich (Germany)
Foto: Gunther Schneider via Pixabay

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