Zeitliches und Ewiges schwingen gleichzeitig im Menschen. Je bewusster wir das erfahren, desto intensiver können wir unser vergängliches Leben als eine „Übungsschule“ wahrnehmen und wertschätzen
Liebe Leser
Zum 1. April erscheint die zweite Printausgabe des LOGON Magazins in diesem Jahr. Auf dieser Seite geben wir einen kleinen inhaltlichen Überblick. Die philosophische Reise zum Thema „sterben und leben“ innerhalb der Redaktion war sehr abwechslungsreich und spannend. Wir hoffen, dass sich einiges dieser lebendigen Diskussion in den Artikeln widerspiegelt. Das Gespräch der Leser mit der Redaktion findet auch diesmal wieder statt.
Dialog zum aktuellen LOGON-Heft (mit Zoom)
Dienstag, 28. Mai, 20 Uhr
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Zeitliches und Ewiges schwingen gleichzeitig im Menschen. Je bewusster wir das erfahren, desto intensiver können wir unser vergängliches Leben als eine „Übungsschule“ wahrnehmen und wertschätzen, und wir könnten uns einer positiven Lesart des Todes nähern. In Leben und Sterben auf dem Weg des ewigen Werdens breitet Dagmar Uecker den großen Entwicklungsweg des Menschen als Mikrokosmos vor uns aus. Jedoch wird keine Philosophie das Suchen und Tasten nach dem Unvergänglichen in uns befriedigend beantworten. Und solange diese Frage offen bleibt, entsteht immer wieder der Wunsch, das Vergehen der Zeit möge doch für uns anhalten. Können wir uns aber im Ernst mit dem, was ist, zufrieden geben? Mit unseren Halbheiten, dem kleinen Glück im Winkel, das immer wieder gestört wird? „Ohne Tod hat das Leben keinen Sinn und keine Tiefe“, schreibt Klaus Bielau in seinem Text Der Tod – Die Tür ins Offene. Wenn die Seele in Bewegung kommt, wenn sie alle Begebenheiten des Lebens annimmt, prüft und schließlich loslassen kann – wenn sie in die auf sie zukommenden Verwandlungsprozesse hineinstirbt, gerade dann wird sie lebendig. Das tägliche Sterben im Kleinen öffnet die Tür zum wahren, ewigen Wesen.
Herzliche Grüße,
Ihre Angela Paap
Aus dem Inhalt:
Brief an den Tod
Lisa Marie Worch
Lieber Tod,
Du bist mein wertvollster Lehrer, ein treuer Begleiter seit meiner Geburt, meine letzte Bestimmung in diesem Leben und meine Inspiration für das Leben. Viele, wenn nicht sogar die meisten, haben schreckliche Angst vor dir, und meistens bin ich einer von ihnen. Du nimmst uns, was wir lieben, du zerstörst, was wir aufgebaut haben, du rüttelst an unseren Bindungen … und ich werde dich nicht anlügen: Es tut höllisch weh. Die meisten von uns sind überzeugt, diesen Schmerz kaum überleben zu können. Deshalb sprechen wir nicht gerne über dich. Du machst uns Angst. Es gibt ein Leben vor und nach dem Verlust, es ist ein Wendepunkt, ein Wendepunkt auch der Erkenntnis. Ein Krisenmoment, den wir mit aller Kraft zu vermeiden versuchen.
Leben und Sterben auf dem Weg ewigen Werdens
Dagmar Uecker
Unsere wahre Natur, unsere innere Essenz, bleibt von Wandel und Tod unberührt. In ihr ist der Ursprung allen Verstehens präsent. Das Leben ist eine geheiligte Möglichkeit, sich zu entwickeln, die Wahrheit zu erkennen und zu verwirklichen. Der Augenblick des Todes enthält die beste Gelegenheit zur Erleuchtung. Über den hohen Wert einer
Sterbebegleitung.
Leben zu lernen muss man über das
ganze Leben hin, indes, worüber du dich
noch mehr wundern magst, ist: das ganze
Leben musst du sterben lernen.
Seneca
Der Loslösungsprozess ist befreiend
Klaus Bielau im Interview mit Rüdiger Dahlke
Die Seele kommt aus einer unendlichen Weite und Freiheit und wird im Körper sozusagen gefangen, und das fühlt sich beengend an. Beim Tod ist es genau umgekehrt, da verlässt die Seele den Körper und es wird erlebt als eine enorme Befreiung und eigentlich als sehr, sehr schön.
Brief an Jo
Burkhard Lewe
Ein von außen betrachtet schwieriger Krankheitsprozess kann auch ein Segen für die ganze Umgebung sein, für die Familie, für den Freundeskreis.
Lieber Jo!
Vielleicht ist es etwas merkwürdig, dass ich dir heute einen Brief schreibe. So wie früher, als ich dir
eine Postkarte aus dem Urlaub oder einen Brief zum Geburtstag geschickt habe. Postkarten und Geburtstagsbriefe sterben heutzutage aus. Aber du, mein lieber Schwager, bist keinesfalls „ausgestorben“, auch wenn du uns im letzten Herbst verlassen hast. In deinem „Weggehen“ hast du uns mit intensivster Lebendigkeit beschenkt.
Nachiketas Gespräch mit dem Tod – DIE KATHA UPANISHAD
K.S.
Nachiketa wächst in einer Familie auf, die tief verankert ist in den alten Schriften und Traditionen Indiens. Eines Tages beginnt er jedoch, die überlieferten Feuerrituale in Frage zu stellen. Er macht sich auf den Weg zum Tod, und es gelingt ihm, diesem das Geheimnis zu entlocken, um das selbst die Erhabenen von alters her ringen. Der Tod wird zum Verkünder des Unsterblichen.
Fliehen
Catherine Spiller
Seit Adam gefragt wurde „Adam, wo bist du?“, sind wir auf der Flucht.
Wir verstecken uns hinter schönen Worten und Philosophien,
verstecken unsere Gefühle und Wünsche vor uns selbst, tun so, als ob uns Andere, die Wirklichkeit und die Tatsachen nichts angingen, schämen uns unserer Handlungen und schöpfen im Verborgenen. Es gibt aber keinen Fluchtweg vor der Wahrheit, vor dem Leben, vor dem Unbekannten, vor Gott. Schließlich stellen wir uns tot. Das ist unser letztes Versteck. Aber das Leben lässt sich nicht täuschen, es ruft und stupst und streichelt und kitzelt und stichelt uns. Dann lachen oder weinen oder verzweifeln oder leiden wir
oder wir werden unruhig. Vielleicht stehen wir auf und suchen.
Immer werden wir es finden, was wir auch suchen. Tot stellen funktioniert nicht. Tot sein noch weniger. Es gibt nur das Leben.
Unser Leben – ein Totsein? – Aber was ist dann Leben?
Gunter Friedrich
Unser Leben ist ein farbiger Abglanz. Der, der sich in unserem Dasein abbildet, möchte von uns gefunden werden. Wenn das nicht geschieht, sind wir im Außen verloren.
Manchmal ändern Ströme ihren Lauf. Die Quelle bleibt am selben Ort
und ebenso das Meer, aber der Weg zwischen beiden verläuft anders. Wo
früher Wasser strömte, bleiben tote Arme zurück, Tümpel, Teiche, Seen.
Sie werden weiter gespeist, von unten durch das Grundwasser, von oben durch den Regen. So bleiben sie indirekt mit dem Strom verbunden, aber zugleich werden sie zu etwas Eigenem. Hierzu schmückt sie die Zauberin Natur, stattet jedes auf seine Weise aus. Ein Auenland entsteht mit herrlichen Orten, Artenvielfalt und wundervollen Biotopen, „Abbildern des
Lebens“
Peer Gynt und der Knopfgießer – Sei du du selbst
Heiko Haase
Die Themen, die den Tod berühren, haben in den letzten Jahrtausenden in der europäischen Geschichte eine intensive Wandlung erfahren. Zur Zeit der keltischen Hochkultur erlebten die Menschen den Tod nicht als Barriere. Ein großer Teil von ihnen war zu dieser Zeit noch hellsichtig. Sie verloren während ihrer irdischen Lebensphase nie ganz den bewussten Kontakt zu ihrem Ursprung. Auf markant andere Weise konfrontiert Hendrik Ibsen in seinem norwegischen Nationalepos Peer Gynt den heutigen Menschen mit dem Tod.
Der Bardo Thödol – Das Tibetanische Totenbuch
Horst Matthäus
Der Bardo Thödol, das Tibetische Totenbuch, begleitet den Sterbenden vom Tod zur Reinkarnation.
Es ist aber auch ein Wegweiser für das Leben und für das Überwinden von Wiedergeburten.
Die aus dem 8. Jahrhundert stammende Schrift Bardo Thödol, die etwas unpassend als das Tibetische Totenbuch bekannt wurde, ist nach einer neueren Definition von Lama Anagarika Govinda
… nicht ein Führer für die Toten, sondern für solche, die den Tod überwinden und den Vorgang des Sterbens in einen Akt der Befreiung verwandeln wollen. Mit der englischen Übersetzung des Tibetischen Totenbuchs durch Evans-Wentz im Jahr 1927 wurde dieses Buch im Westen weit verbreitet und in verschiedene Sprachen übersetzt. Der Bardo Thödol wird Padmasambava, der im 8. Jahrhundert den Buddhismus nach Tibet brachte, zugeschrieben. Er galt bis ins 14. Jahrhundert als verschollen und wurde entsprechend der Überlieferung durch Karmalingpa wiederentdeckt und schriftlich fixiert. Die verschiedenen Übersetzungen des Tibetischen Totenbuchs verbreiteten sich in Amerika und Europa schnell, und das nicht nur unter Interessierten an östlicher Religion, Mystik und Theosophie, sondern auch in der westlichen Wissenschaft, hauptsächlich der Psychologie, der Medizin, Physik und der Forschung über Nahtoderfahrungen.
Durch das Tor des Augenblicks – Sterben lernen, leben lernen
Angela Paap
Leben und Tod sind wie zwei Seiten einer Medaille. Das Verkörpertsein und die Zeit zwischen Tod und Geburt bilden zusammen den Gang der Inkarnationen. Für das materiegebundene Bewusstsein sind solche Gedankengänge jedoch reine Theorie, es sieht nur (Da-) Sein und Nichtsein und verdrängt daher den Tod. Doch schmälert diese Sicht nicht auch die Fülle des Lebens? Leben geschieht im Augenblick. Zen- Buddhismus und Samurai können uns dies lehren.
Wer seine Endlichkeit nicht kennt oder wahrnimmt, lebt, als wäre er ewig. Doch dies ist eine Ewigkeit, die zur bloßen Dauer mutiert, geduckt unter dem bleiernen Regiment der Zeit.
Wir sehen nur die Schatten – Wie uns große Meister den Weg weisen
Elena Vasenina
Unsere Augen sind auf die Schattenseiten des Todes fixiert. Sie sehen nur, wie die Form zerfällt. Die Sicht auf das fortdauernde Leben in feinstofflichen Strukturen bleibt ihnen verschlossen. So haben wir eine Karikatur des Todes geschaffen, ein Gegenbild, ein Schattenbild, das wir als Realität ausgeben.
O wie erhaben ist der Geist, der unter Leitung der wahren Weisheit sich selbst mit von Leben und Licht verfeinerten geistigen Augen wahrnimmt. Der Mensch ist aus Gott, dem Vater allen Lichtes und Lebens geboren. Darum kehrt der Geist, der entdeckt, dass er aus Leben und Licht geschaffen ist, zurück zum Leben und zum Licht. (Robert Fludd, 1574–1637)
Der Tod – Tür ins Offene
Klaus Bielau
Da wir im Allgemeinen gewohnt sind, Tod und Sterben zu verdrängen, kann unser Leben nur an der Oberfläche dümpeln, unsere Ausrichtung, unser Interesse nur Äußerlichkeiten gelten. – Und dieses Äußere unterliegt, wie sollte es anders sein, dem gnadenvollenGesetz der Vergänglichkeit.
Ihr sollt nur den heutigen Tag kennen und die jetzige Stund. Was gehen die Sorgen des morgigen Tages den heutigen an? Der Tod kommt nämlich nicht morgen, er kommt heute. (Paracelsus)
Hülle und Kern
Heraklit und der Sohar, das heilige Buch der Kabbala
Sibylle Bath
Der ursprüngliche göttliche Keim umgab sich mit mehr und mehr Hüllen. Und erst als der Mensch erschaffen war, wurde alles sichtbar. Gleich ist Anfang und Ende auf der Kreislinie.
Heraklit
Heraklit, einer der großen Philosophen an der Wiege des Abendlandes (um 520–um 460 v. Chr.), verweist auf das ägyptische Urbild einer Schlange, Ouroboros, die sich in den Schwanz beißt und mit ihrem Körper einen vollkommenen Kreis bildet, der das ewige Leben darstellt. Die Kreislinie symbolisiert unser Leben, dessen Anfang und Ende sich im gleichen Punkt treffen; in ihm geht das Leben in den Tod über, und der Tod führt wiederum zu einer neuen Geburt.