Liebe Leserin, lieber Leser,

wir befinden uns inmitten einer immer weiter zunehmenden Flut von Bildern. Bedeutende Werke der Malerei gibt es als Aufdruck auf T-Shirts, Kaffeetassen und dergleichen. Viele von uns verbringen einen Gutteil ihrer Zeit damit, auf den Bildschirmen ihrer Smartphones Unmengen von Bildern an sich vorbeigleiten zu lassen. Ähnlich verhält es sich mit der Musik, die ebenso allgegenwärtig ist. Oft hört man keine Musik, sondern lässt sich berieseln. Die Kunst gerät bei dieser Art von Konsum ins Hintertreffen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Liebe Leserin, lieber Leser,
wir befinden uns inmitten einer immer weiter zunehmenden Flut von Bildern. Bedeutende Werke der Malerei gibt es als Aufdruck auf T-Shirts, Kaffeetassen und dergleichen. Viele von uns verbringen einen Gutteil ihrer Zeit damit, auf den Bildschirmen ihrer Smartphones Unmengen von Bildern an sich vorbeigleiten zu lassen. Ähnlich verhält es sich mit der Musik, die ebenso allgegenwärtig ist. Oft hört man keine Musik, sondern lässt sich berieseln. Die Kunst gerät bei dieser Art von Konsum ins Hintertreffen.
Außerdem erhebt sich die Frage: Welche Relevanz kann Kunst in Zeiten, in denen wir mit welt- umspannenden Krisen konfrontiert sind, für uns haben? Trägt Kunst etwas dazu bei, uns selbst und die Welt, in der wir leben, besser zu verstehen? Dieses Heft sagt: Kunst kann das. Sie kann uns stützen, aber auch hinterfragen. Sie kann uns helfen, eine verborgene Ordnung hinter den Dingen zu (emp-)finden, sie kann uns auch auf den Weg der Selbsterkenntnis führen, mit allen entsprechenden Nebenwirkungen.
Kunst ist frei. Das heißt, sie lässt sich vor keinen Karren spannen, sie spekuliert nicht auf unsere Reaktionen. Was der Künstler in seinem Schöpfungsprozess tut, muss also in sich selbst seinen Zweck finden. Diese Freiheit macht ein Kunstwerk lebendig und eigenständig. Es ist gleichsam eine Welt für sich, die dennoch unsere Welt und unser menschliches Wesen widerspiegelt und
so erkennbar machen kann. Kunst kann Dinge ausdrücken, die keine Philosophie in Worte zu fassen vermag. Dabei spottet sie offensichtlich dem Wittgensteinschen Diktum, dass die Grenzen unserer Sprache die Grenzen unserer Welt bedeuten. Denn Kunst kann gerade das zum Gegen- stand machen, was die Möglichkeiten der Sprache übersteigt. Wenn ein Kunstwerk eine Welt
für sich ist, kann ein Mensch in sie eintauchen und seine eigenen Erfahrungen darin machen. Deshalb kann man die „Aussage“ eines Kunstwerks durch keine Beschreibung oder Definition auf gültige Weise fassen. Dennoch ist es sinnvoll, über Kunst zu sprechen.
Ich erinnere mich gut an einen Moment, in dem islamische Kunst mich berührt hat. In ei- nem tunesischen Museum begegnete mir eine geometrische Intarsienarbeit auf einer großen Tür, ein komplexes Muster aus Sternen und Bändern, das sich – scheinbar bis ins Unendli- che – regelmäßig wiederholte. Seine Klarheit, Schönheit und Majestät waren für mich wie eine philosophische Aussage: Das Weltall ist schön, es hat Ordnung, es stammt von einem unübertrefflichen Schöpfer. Das Ornament schien diese Aussage nicht nur zu behaupten, sondern sie zugleich zu beweisen. Dass etwas von Menschen Empfundenes, Gedachtes und Hergestelltes dazu in der Lage ist, beweist wiederum die Kraft und Relevanz von Kunst.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine inspirierende Lektüre.

Ihre Angela Paap

 

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Datum: Juni 23, 2020
Autor: Angela Paap (Germany)
Foto: Alfred Bast

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