Wir sehen Widersprüche in uns und um uns, und was wir sind, ist die Welt. [1]
Möge der Frieden kommen, die von uns erwartete immerwährende Stabilität!
Frieden ist ein großes Ideal. Aber während wir uns zu diesem Wunsch hingezogen fühlen, werden unser Geist und unser Herz von der nervösen Energie des täglichen Überlebenskampfes belastet, die uns Klarheit und Kraft raubt.
Im selben Moment, in dem wir Frieden herbeirufen, kritisieren und korrigieren wir andere und diese wiederum uns. Wir verletzen uns ständig und werden verletzt. Warum wünschen wir uns so sehr Frieden und können ihn in unserem Leben nicht erfahren?
Es ist wichtig zu verstehen, warum das für uns so ist.
Die universelle Weisheit besagt, dass wir eine Welt im Kleinen sind – ein Mikrokosmos. Alles, was außerhalb von uns geschieht, ist eine Projektion dessen, was im Inneren geschieht. Wenn wir also innerlich Konflikte und Konfrontationen erleben, kämpfen wir, wo immer wir sind, denn die Farben unserer inneren Kämpfe färben jeden Ort, den wir betreten.
Ein wichtiger Punkt beim Nachdenken über unsere inneren Konflikte ist, dass wir uns unserer Egozentrik bewusst sind. Wir leben bezogen auf uns selbst. Wir stehen an erster Stelle und alle anderen kommen erst viel später. Unsere Aktionen und Reaktionen sind auf Selbstverteidigung und Selbsterhaltung ausgerichtet. Dies resultiert nicht nur aus unserem angestammten biologischen Bewusstsein, sondern auch aus unserem individuellen und kollektiven Unbewussten, unseren Überzeugungen, unserer Erziehung und der Umgebung, in der wir leben. Wir tun es, ohne es zu merken, automatisch.
Wir konkurrieren, kritisieren, urteilen und isolieren uns in Stämmen und Blasen, in der Illusion, uns wohl zu fühlen. Jede Person, die wir auf dem Bürgersteig treffen, denkt auf dieselbe Weise und kämpft daher mit uns um Raum und handelt, um sich zu schützen. Es ist eine feindliche Umgebung. Wir sind mehr gegeneinander, als dass wir miteinander sind. Dieses Getrenntsein ist eine schwere Krankheit der menschlichen Seele und entfernt uns von dem Frieden, nach dem wir uns sehnen.
Wenn wir keine Kriege wollen, wenn wir den Frieden suchen, dann liegt die Veränderung, die wir vornehmen müssen, in uns selbst, und sie besteht darin, innere Distanz zu den entgegengesetzten Polen zu gewinnen. Wenn wir die Wahrnehmung unseres eigenen Inneren erweitern und uns dem mittleren Weg nähern, erreichen wir nach und nach den aktiven, nicht gleichgültigen Zustand der Neutralität.
Eine andere Art von Leben wartet auf uns
Wir suchen ein anderes Leben, aber woher kommt diese Idee?
Wenn wir unsere inneren Konflikte aus einer spirituellen Perspektive heraus untersuchen, sehen wir, dass dieser Wunsch existiert, weil wir die Erinnerung an diese Möglichkeit, die Unruhe und die Sehnsucht nach einem Leben in der Einheit in uns tragen. Die wahre Lebensweise – die wir in unserem tiefsten Inneren kennen – ist das Gegenteil des durch unseren Egozentrismus geschaffenen Getrenntseins.
Wenn wir unser Bewusstsein von dem Ballast der Vergangenheit, der Konditionierungen, Automatismen und Wissensanhäufungen befreien, öffnen wir Raum für die innere Wahrnehmung unseres wahren Wesens, des unsterblichen Prinzips, das in uns allen lebt. Da wir jedoch immer noch nur Augen für uns selbst haben, sehen wir nicht das Licht, das wie ein Blitz aufflackert und darauf hinweist, dass es etwas jenseits unserer Persönlichkeit gibt.
Die Aktivität dieses Lichtfunkens, den wir nur flüchtig und unbewusst wahrnehmen, fordert uns innerlich heraus und macht uns unruhig. Es bringt das Gefühl mit sich, nicht in die Welt zu passen, und wir sehnen uns nach einem anderen Leben. Wir fühlen eine intensive Unruhe, aber weil wir nicht verstehen, was uns fehlt, versuchen wir, das Unbekannte, das Unsterbliche in uns, anzugreifen. Und schon greifen wir wieder an. Was für ein Irrtum.
Auf der einen Seite gibt es die Materie und auf der anderen Seite den Geist, es sind verschiedene Aspekte der gleichen Realität. Wir müssen uns mit unserem inneren Wesen verbinden und dem Bewusstsein erlauben, die vermittelnde Instanz zwischen diesen beiden Aspekten zu sein und sie in uns zu integrieren.
In diesem Prozess ist die Selbsterkenntnis als Wahrnehmung unseres inneren Zustands ein mächtiges Werkzeug, um unsere egozentrische Struktur zu dekonstruieren. Dies öffnet den Raum für neue Werte, neue Ideen und neue Energie.
Ein wichtiger Aspekt der Egozentrik ist die Anhaftung. Sich von den Manifestationen des Bewusstseins (Gedanken, Emotionen und Reaktionen, zusätzlich zu den materiellen Dingen) zu lösen, bringt Angst und Furcht mit sich, da wir den Bereich des Unbekannten betreten. Mit der Überwindung der Egozentrik werden jedoch auch Angst und Furcht prozesshaft überwunden und wird einem spirituelleren Bewusstsein Raum gegeben.
Es ist ein Reinigungsprozess, der es ermöglicht, die Stimme aus dem tiefsten Teil unseres Wesens oder die Stimme des Universums in uns zu hören.
Die spirituelle Selbstinitiation erfordert eine kontinuierliche Anstrengung, die wir nicht gewohnt sind, und eine große Wachsamkeit. Es ist notwendig, einen Zustand zu erreichen, in dem wir uns nicht gegenseitig bedroht fühlen, sondern in dem wir einander als Weggefährten erkennen.
Der kostbare „Frieden“, den wir suchen, liegt nicht in den Extremen, sondern in der Mitte.
[1] Krishnamurti, J. “The Collected Works of J. Krishnamurti, Volume VI – The Origin of Conflict”, Krishnamurti Foundation America, Ojai, CA, 2012