Erkennt und werdet erkennbar

Den Mutigen gehört die Welt – ein altes Sprichwort, jeder von uns kennt es, und so ist es tatsächlich, wem sollte sonst die Welt gehören, wenn nicht den Mutigen?

Erkennt und werdet erkennbar

Den Mutigen gehört die Welt – ein altes Sprichwort, jeder von uns kennt es, und so ist es tatsächlich, wem sollte sonst die Welt gehören, wenn nicht den Mutigen?

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Wollen wir uns mal näher ansehen, was die Welt ist – die Welt ist erstens unser Planet Erde … und die Eroberer die Conquistadores der vergangenen Jahrhunderte, machten sich die Welt, das heisst genauer, fremde Länder und Völker, die ihnen nie gehörten, untertan. Zweifelsohne mutige, teils grausam mutige und skrupellose Draufgänger, die im Dienste von Kirche und König andere Kontinente untertan machten. Das kann natürlich nicht gemeint sein mit diesem einleitenden Gedanken, doch ein weiteres Mal – er ist wahr, und zwar dann, wenn wir unter Welt die Kleine Welt verstehen, den Mikrokosmos. Der Mensch ist dazu berufen, wieder bewusster Teil, bewusster, selbst-verantwortlicher Mitgestalter des Universums zu werden und zu sein. Und gerade in diesen Tagen, die wir zur Zeit durchleben, wird Unzähligen klar, dass wir niemandem und nichts vertrauen können, was uns als Wahrheit oder Notwenigkeit einzureden versucht wird. Das heisst also, die wunderbare alte Aufforderung prüfet alles, das Gute behaltet, wird mehr denn je zu einer Lebensnotwendigkeit für den Menschen, der empfindet, dass es um etwas anderes geht. Das Andere, das wir beinahe alle in irgendeiner Form empfinden, als Sehnsucht, als Ahnung nach etwas Schönen, Vollkommenen, Ewigen, eine Sehnsucht nach dem Zuhause der Seelen, nach Nirwana oder Paradies, wie wir es im Westen nennen … Dieses andere gilt es, in uns zu erkennen.

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Ahnung – Wir tragen so etwas wie eine Ahnung nach Glück und Freude in uns. Alles was du denkst, redest, tust, bist du selbst und die Früchte davon fallen in deinen Schoß. Es ist beinahe müssig, sich über diese Regel Gedanken zu machen, zu selbstverständlich ist es – – – und doch kann niemand von uns sagen, dass es von vornherein immer einfach wäre. – Wir sind über lange Zeiträume eigentlich sehr unfrei, das heisst wir werden gelebt von einer Unzahl von Sensationen, alten Vorstellungen, gesellschaftlichen Mustern, die allesamt altem Aberglauben entspringen, einem System von Werten, die uns zwar die Luft zum Atmen nehmen, aber schnelle Sicherheiten bieten.

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Pubertät – Die Zeit der Pubertät sollte für den heranwachsenden Jugendlichen das Freiwerden vom Zwang der Gewohnheiten, Vorstellungen und Lebenspläne der Eltern, ja eigentlich aller Autoritäten sein. Haben wir als Erwachsene diesen Schritt tatsächlich schon getan oder hängen wir nach wie vor im Netz kollektiver, geliebter Unfreiheiten? – Erwachsen und erwachen liegen nun einmnal eng beinander …

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Wir kennen die Ausdrücke couragiert, Courage, Coraggio, Courage – sie alle beziehen sich auf das Herz (franz.: le coeur), beherzt kennen wir in unserem Sprachgebrauch.

Den Mutigen gehört die Welt … irgendwann hören wir auf, die Welt im Aussen weiter entdecken und verbessern zu wollen; irgendwann lernen wir durch unsere Erfahrungen, dass es kein Paradies gibt, nirgendwo, wenn wir es, das Land des Lebens, nicht in uns zu suchen beginnen. Und wenn wir in uns forschen, dann erwacht unser Interesse für Philosophie, Spiritualität und ähnlichem –  und wir machen die oft so freudige Erfahrung, dass tatsächlich alles in uns IST. Darüber reden die Meister des Ostens und des Westens, davon erzählen unzählige Werke in Kunst, Literatur und aufgeschlossener Wissenschaft. Und um diesem Erahnten näher zu kommen, müssen wir den Mut aufbringen, uns auch für den Keller, für die dunklen Seiten, die Schatten, zu interessieren. Nein, nicht du und ich, nicht wir müssen unsere Dunkelheit erhellen, das ist das alte Ding der Unmöglichkeit, wir müssen uns bewusst werden, dass dieses Licht in uns zu finden ist … und so wird es deutlich: wir müssen nur dem Licht Raum geben, ihm folgen. Das Licht ist die Kompassnadel … und nun taucht das Geheimnis aus den Nebeln der Ungewissheit auf: Freiheit und innere Erkenntnis kann nur im Jetzt sein, in lebendigem Heute. – Und gleichzeitig wird ein kluger Mut geboren, nicht Übermut, nicht Kleinmut, am ehesten Sanft- oder Demut, die möglich werden durch Erkennen, durch Verstehen der Zusammenhänge. – Ist das vielleicht die Haltung zur Freiheit? Und Freiheit im hohen, geistigen Sinn bedeutet Frieden, tiefe Verbundenheit und Glück, strahlendes Glück, das alle Widrigkeiten des äußeren Lebens vergessen, ja sich gleichsam auflösen läßt. Und nur der Mensch, der verbunden ist mit seinem tieften Selbst, lebt und fühlt sich eins mit seinen Mitgeschöpfen … Und um verbunden zu sein mit seinem tiefsten Selbst ist Mut nötig, Mut fei zu sein von den alten Konventionen und Mustern.

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Erkennbar sein – Sollten in einem Menschen die Prozesse der Erneuerung, der Renaissance lebendig zu werden beginnen – er oder sie die drängenden Zusammenhänge, die Hintergründe der Welt und ihrer Geschichte erkennen, die Essenz, das Licht—des-Lebens Macht bekommen – dann kann ein solcher Mensch nicht mehr anders, als sich verbunden zu wissen mit der ganzen Menschheit. Die, die Erneuerung, Renova, in sich erleben, werden für andere erkennbar.

Nichts ist heilsamer, ja ansteckender als ein Mensch, der frei geworden ist von all den schweren, dunklen Konventionen und Vorurteilen einer verkehrt laufenden Welt. Er kann das Feuer weiter reichen. Andere anstecken mit der Freude der inneren Kenntnis, mit der Freude der Erneuerung.

In dir ist eine Stille und ein Heiligtum, in die du stets zurückkehren kannst (Siddartha, H. Hesse). Dieses Heiligtum ist das Herz des Menschen, dort und nur dort begegnen wir den Freunden, unseren Brüder und Schwestern, die wie wir auf der Suche sind nach dem Einen Ganzen. – – – Über kurz oder lang ist die ganze Menschheit gerufen in die Renaissance, die neuerliche Geburt des Feuers hinein zu leben. Und es sind Menschen, die erkannt haben und erkennbar geworden sind, die diese Entwicklung tragen.

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Datum: August 26, 2023
Autor: Klaus Bielau (Österreich)
Foto: fog-Piet van de Wiel auf Pixabay HD

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