Ein besonderes Erlebnis Teil 1: Eine außergewöhnliche Begegnung

Die Einstellung zum Leben kann sich ändern, wenn jemand beginnt, nach dem Sinn des Lebens zu forschen. Wenn man spürt, dass es einen Sinn in unserer Existenz gibt, wird die Perspektive auf das, was im Alltag passiert, anders. Begegnungen, Krankheiten und vieles andere werden mit einem wacheren Bewusstsein erlebt. LOGON hat einige Personen, die einen spirituellen Weg gehen, gebeten, von einer Erfahrung in ihrem Leben zu berichten, die sie als etwas Besonderes empfunden haben.

Ein besonderes Erlebnis Teil 1: Eine außergewöhnliche Begegnung

Obwohl es vor vielen Jahren geschah, ist mir dieses Erlebnis  immer noch sehr klar in Erinnerung: Als ich an einem Nachmittag gerade meinen Pflaumenkuchen aus dem Backofen holte, klingelte es an der Haustür. Ich ging schnell hinunter und öffnete sie. Vor mir stand ein junger Mann mit einer Auswahl an Zeitschriften. Da ich mich in den Jahren zuvor zweimal zum Abschluss eines Abonnements hatte überreden lassen und die Zeitschriften bei uns ungelesen herumlagen, ging ich gleich auf klare Abwehr. Der junge Mann erklärte mir seine Notlage: Er brauche unbedingt Abo-Abschlüsse, sonst würde man ihn hinauswerfen und er wüsste nicht, wovon er leben sollte. Ich blieb bei meiner Ablehnung und fragte ihn, wieso er denn in dieser Notlage wäre. „Ich war lange im Gefängnis und bin auf Bewährung draußen“, gestand er. „Ich unterschreibe nichts, aber hätten Sie gern ein Stück frisch gebackenen Pflaumenkuchen?“ bot ich ihm aus einem seltsamen Gefühl heraus an. Er strahlte: „Den habe ich schon so lange nicht mehr essen können. Oh ja, sehr gerne!“

Ich nahm meinen Gast mit nach oben, setzte ihn an den Küchentisch, schlug Sahne und kochte Kaffee. Wir erzählten von früher, er besonders von seiner Mutter, einer Alkoholikerin, die nie für ihn da war. Er genoss sichtlich den warmen Kuchen und unser Gespräch, musste aber bald wieder gehen und ich begleitete ihn an die Haustür. Er sagte mir, wie gut ihm das Zusammensein getan habe und: „So eine Mutter wie sie habe ich mir immer gewünscht. Ich weiß gar nicht, wie ich ihnen danken soll. Darf ich sie zum Abschied einmal in den Arm nehmen?“ Ich bejahte es, fragte ihn aber aus einem Impuls heraus, warum er denn im Gefängnis gewesen sei. „Ich habe eine Frau getötet. Ich bin ein Mörder“, antwortete er leise, „Jetzt darf ich Sie wohl nicht mehr in den Arm nehmen.“ Ich zögerte kurz. Als ich aber in seine Augen schaute wusste ich ohne Zweifel, dass ich in diesem Moment seine Mutter war. Ich ließ mich umarmen, dann drehte er sich um und ging. Ich sah noch, wie er sich Tränen aus den Augen wischte.

Ungefähr ein Jahr später klingelte ein Polizeibeamter an unserer Tür. „Ist etwas passiert?“, fragte ich aufgeregt. „Nein, nein“, beruhigte er mich, „hier ist jemand, den wir nach München ins Gefängnis bringen. Er hatte noch einen Wunsch, sich von Ihnen zu verabschieden. Und weiter hinten vor einem Gefängniswagen stand in Handschellen, bewacht von einem weiteren Polizisten, der Zeitschriftenwerber. Ich war einverstanden und so ließen sie ihn zu mir kommen. „Was ist passiert?“ fragte ich ihn. „Ich bin rückfällig geworden“, sagte er niedergeschlagen. „Können sie mich noch einmal in den Arm nehmen?“ Ohne zu zögern nahm ich ihn in meine Arme und drückte ihn von Herzen.  Die Polizeibeamten ließen uns Zeit.

Als er schließlich abgeführt wurde, sagte er noch zu mir: „Ich werde bis an mein Lebensende für Sie beten.“

Was mag aus ihm geworden sein?

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Datum: Januar 15, 2020
Autor: Brigitte Bergengruen (Germany)
Foto: Free Photos auf Pixabay CCO

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