Die drei Geister aus Charles Dickens‘ „A Christmas Carol“ können als mystische Führer verstanden werden, die die Seele durch drei Stufen des inneren Erwachens begleiten.
A Christmas Carol von Charles Dickens ist eine magische Geschichte, die sich seit ihrer Entstehung ungebrochener Beliebtheit erfreut und unzählige Übersetzungen und Verfilmungen erfahren hat. Unabhängig davon, ob wir das Buch lesen, die klassische Schwarz-Weiß-Verfilmung von 1938, den Film von 1951, die Fernsehadaption von 1984 oder den Zeichentrickfilm sehen, in dem Piotr Fronczewski Scrooge seine Stimme leiht – diese Geschichte bewegt uns immer wieder aufs Neue. Sie weckt in uns die Sehnsucht nach dem Guten und den Wunsch, besser zu werden. Sie wirkt so stark, weil sie den Sinn des menschlichen Lebens aus der Perspektive der Seele zeigt und eine spirituelle Tiefe verbirgt, die viel reichhaltiger ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.(1)
Wenn wir in die Welt dieser Geschichte eintauchen, sehen wir uns in ihrem Haupthelden wie in einem Spiegel – auch wenn wir uns dessen oft nicht bewusst sind. Normalerweise nehmen wir A Christmas Carol als eine Geschichte über jemand anderen wahr: einen alten, verbitterten Geizhals, der dringend eine Veränderung braucht. Die wahre spirituelle Dimension dieser Geschichte offenbart sich jedoch erst, wenn wir verstehen, dass Scrooge, über den Dickens schrieb: „Hart und scharf wie Feuerstein, in sich gekehrt, schweigsam und einsam wie eine Auster” – in Wirklichkeit wir selbst sind.
Sicherlich haben unsere Seelen durch viele Inkarnationen mehr Altruismus, Empathie, Großzügigkeit und Wärme entwickelt, als Scrooge in sich hatte. Und doch bleiben wir im Innersten unseres Wesens in gewisser Weise verschlossen – auf unser eigenes „Ich” fokussiert, egozentrisch. Unser Bewusstsein dreht sich weiterhin um „ich, mich, mein”. Verantwortlich dafür ist der Träger dieses Bewusstseins selbst: der flammende Strom im Rückenmark, der uns die Illusion der Getrenntheit, der Trennung vom Rest der Schöpfung vermittelt. Genau darauf bezog sich Dickens – in einem Anflug genialer Intuition – als er schrieb, dass „es unmöglich ist, aus ihm irgendein edles Feuer zu entfachen” .
Scrooges offensichtliche Gier und Geiz spiegeln die Gier unseres Egos wider, das immer mehr ansammeln und für sich selbst beanspruchen will, sowohl auf körperlicher als auch auf seelischer und geistiger Ebene. Die Gier des Egos manifestiert sich im Anhäufen von Geld über die eigenen Bedürfnisse hinaus, in der Besessenheit vom Besitz, im ständigen Vergleich mit anderen und im Verlangen nach Überlegenheit. Dazu gehört auch das Bedürfnis, seine Mitmenschen zu kontrollieren, Aufmerksamkeit zu fordern und sogar spirituelle Praktiken zu nutzen, um die eigene Einzigartigkeit zu betonen. Wie Dickens treffend bemerkte: „Die Fehler eines Menschen sind immer eine Strafe für ihn selbst”. Sie sind eine Strafe, weil sie aufgrund des Gesetzes des Karma in Form von Konsequenzen auf uns zurückkommen. Sie führen zu Einsamkeit, Konflikten und verwandeln die Beziehungen zu anderen und zur Realität in ein Schlachtfeld. Auf diese Weise sperrt sich der Mensch selbst in eine Welt ein, die er aus seinen eigenen Illusionen, Ängsten und Anhaftungen aufgebaut hat.
Spirituelles Bewusstsein ist die Perspektive der Einheit, der tiefen Verbindung mit dem Ganzen des Seins und des Mitgefühls. Ein Mensch mit diesem Bewusstsein wird niemals vollkommenes Glück erfahren, wenn er weiß, dass jemand anderes leidet. Sein Wesen ist die Einsicht, dass der wahre Wert nicht in der Menge der angesammelten Güter liegt, sondern in der Qualität der Beziehungen, in der Fähigkeit, ohne Erwartungen zu lieben – was zu innerer Freiheit führt. Das Ego sagt: „Das ist für mich”, während das spirituelle Bewusstsein flüstert: „Das ist für uns”. Das Ego hat Angst vor Verlust, während das spirituelle Bewusstsein Freiheit im Geben und Fließen erlebt.
Drei Geister
Dickens hat – auch wenn er sich dessen nicht voll bewusst war – eine dreifache Initiation in seine Geschichte eingebracht. Die drei Geister, die Scrooge heimsuchen, können als mystische Führer gelesen werden, die die Seele durch drei Stufen des inneren Erwachens führen.
Sie kommen wie aus einem Raum außerhalb der Zeit, aus einer Dimension der Ewigkeit. Scrooge spürt eine Störung im linearen Ablauf der Stunden – er hat das Gefühl, dass die Zeit zurückgeht oder sich auf unnatürliche Weise verschiebt, um schließlich dreimal um Mitternacht stehen zu bleiben. Diese Stunde ist ein multidimensionales Symbol. Einerseits verweist sie auf die zwölf Tierkreiszeichen unserer Welt – archetypische Kräfte, die Erfahrungen mit sich bringen, die die Seele während ihrer irdischen Wanderung verinnerlichen muss. Mitternacht ist auch der Moment, in dem sich der Zyklus schließt. Scrooge, der am Ende seines Lebens steht, gelangt symbolisch an den Ort, , an dem alle Lektionen seines Schicksals zusammenkommen. Mitternacht ist eine Grenztunde – die Schwelle zwischen zwei Realitäten: der Welt der Materie und der Welt des Geistes.
Bevor die Geister erscheinen, schlägt die Uhr jedes Mal vier Viertelstunden und bildet so das Bild eines Kreuzes – ein uraltes Symbol für den Weg der Sonne am Himmel und ihre vier Stationen, die durch zwei Sonnenwenden und zwei Tagundnachtgleichen markiert sind. Dieses Kreuz erinnert daran, dass das Leben hier eine zyklische Reise durch Licht und Dunkelheit, Geburt und Tod, Vergessen und Erwachen ist. Es weist auch auf die Wurzeln des christlichen Glaubens hin, dessen tiefer Hintergrund das alte Sonnenmysterium ist. Es symbolisiert das Herabkommen der Kräfte der geistigen Welt (vertikaler Balken des Kreuzes) in die irdische Welt (horizontaler Balken) und die Vereinigung dieser beiden Dimensionen an einem Punkt – im Herzen des Menschen, wo sich das Tor zur Ewigkeit befindet.
Die alten Eingeweihten sagten, dass „Gott wie eine Kugel ist, deren Mittelpunkt überall und deren Umfang nirgendwo ist”. Die Göttlichkeit ist die Fülle – unendlich, grenzenlos, allgegenwärtig, intensiv, multidimensionales Bewusstsein. Wenn sich der Mensch jedoch von seinem spirituellen Zentrum löst, wird er zu ihrem Gegenteil – zu einer Kugel, deren Umfang überall ist und deren Mittelpunkt nirgendwo ist. Er lebt an der Oberfläche seiner selbst, identifiziert sich mit Schichten von Rollen, Masken und Illusionen und verliert den Kontakt zu seinem eigenen inneren Wesen. Das ist der Zustand der Vergessenheit, der Scrooge fesselt – ein egoistisches, begrenztes Dasein, ohne inneren Ankerpunkt in der Liebe der Quelle.
Scrooges Begegnungen mit den drei Geistern finden zwischen Mitternacht und ein Uhr nachts statt. Diese symbolische Zeit weist auf den Moment hin, in dem der Mensch aus der göttlichen, grenzenlosen Fülle in ein getrenntes, individuelles Wesen – das Ego – hervortritt. Es ist der Übergang vom Ganzen zur Trennung, vom Zustand der ursprünglichen Einheit zum Bewusstsein des eigenen Ichs. In diesem Zusammenhang kommen mir die Worte Shakespeares in den Sinn: „Sein oder Nichtsein – das ist hier die Frage”, die das wiederkehrende Dilemma des Menschen auf dem Weg zur Zerstörung der Illusionen des egozentrischen Bewusstseins zum Ausdruck bringen. Der Moment, in dem die Seele vor der Wahl steht: in einer falschen Identität zu verharren oder sich zu beruhigen und die Wahrheit der Quelle auszustrahlen. Die falsche Identität bringt gewisse Vorteile mit sich: Sie vermittelt den trügerischen Komfort, im Bekannten und Vorhersehbaren zu verweilen, schützt vor der Angst vor dem Unbekannten und erlaubt es, in den Automatismen des Alltags zu verharren, die keine Anstrengung erfordern.
Ein Mensch, der bestimmte Talente oder Vorzüge hat, kann leicht damit prahlen, ohne zu erkennen, dass sie in Wirklichkeit Gottes Reichtum sind – etwas Höheres, das über den Menschen hinausgeht. Das Aufrechterhalten dieser Illusion vermittelt ein vorübergehendes Gefühl der Überlegenheit oder Einzigartigkeit. Sie loszulassen bedeutet, darauf zu verzichten, sich die Reichtümer des Geistes anzueignen, und öffnet den Blick für die Erkenntnis, dass es ein einziges Bewusstsein gibt – unendlich, durchdrungen von höchster Liebe, Weisheit und Kraft. In diesem Raum beginnen sich die Grenzen des individuellen „Ichs” aufzulösen, und die Seele erkennt sich als Teil eines unteilbaren Ganzen, das die einzige wahre Identität von allem ist, was existiert.
Der Geist der vergangenen Weihnacht
Der erste Geist – der Geist der vergangenen Weihnacht – führt Scrooge (und mit ihm uns) zur Anamnese, also zur spirituellen Erinnerung daran, wer wir wirklich sind und woher wir kommen. Scrooge reist in die Vergangenheit und gelangt zu Momenten in seinem Leben, die seit Jahren unter dem Staub der Vergessenheit begraben waren.
Dieser Geist trägt eine Kappe auf dem Kopf, die an eine Kapuze zum Löschen von Kerzen erinnert – ein Symbol für die Unterdrückung des spirituellen Lichts, das Scrooge nicht ertragen kann. Er will nicht in den Glanz blicken, der von der Spitze des Kopfes des Geistes ausgeht, denn dieser offenbart die Wahrheit, die Scrooge sein ganzes Leben lang unter Schichten von Egoismus zu verbergen versucht hat. Der Geist fragt: „Reicht es dir nicht, dass du zu denen gehörst, deren Leidenschaften diesen Hut geschaffen haben?“ – eine bittere Erinnerung an den Zustand vor dem Eintauchen in die Materie, bevor der Platz in seinem Herzen, der der Liebe gehörte, von einer anderen Gottheit eingenommen wurde: dem „goldenen Kalb“, wie Bella es in A Christmas Carol nennt.
Der vom Kopf des Geistes ausgehende Glanz erinnert an das Licht des höheren Geistes, über den der Mensch einst verfügte. Dieser Geist ist kein Sklave der Instinkte, sondern im Einklang mit Seele und Herz. Der Geist zeigt den früheren Zustand des göttlichen Menschen – eines Wesens, in dem Geist und Herz harmonisch zusammenwirkten und sich Gott unterordneten. Wenn der Geist Scrooges Herz berührt, symbolisiert dies das Erwachen des wahren Selbst – die Rückkehr zum leuchtenden Zentrum, das noch immer unter den Schichten egoistischer Entscheidungen und Vergessenheit schlummert.
Aber der Geist der vergangenen Weihnacht ist auch der Schlüssel zur Entdeckung des alten Wissens – eine Einladung, in die Zeit der alten Eingeweihten zurückzukehren, die Weihnachten als einen Moment des mystischen Erwachens feierten.
Rudolf Steiner schrieb über die Magie der Weihnachtsnacht wie folgt: „In der besonderen Nacht, die wir heute als Weihnachtsfest feiern, wurden die Schüler der Mysterienschulen auf eine innere, spirituelle Vision vorbereitet, damit sie das sehen konnten, was zu dieser Zeit seine physische Kraft vollständig von der Erde zurückgezogen hatte. In der langen Winternacht zu Weihnachten war der Novize bereits so weit fortgeschritten, dass er um Mitternacht eine Vision erleben konnte. Die Erde war für ihn dann kein Vorhang mehr vor der Sonne – sie wurde durchsichtig, transparent. Durch diese transparente Erde sah der Schüler das spirituelle Licht der Sonne, das Licht Christi. Diese tiefe spirituelle Erfahrung des Novizen spiegelte sich in dem Ausdruck „die Sonne um Mitternacht sehen” wider. (2)
Damit meinte Steiner das Licht des Christusgeistes, der jedes Jahr in den Kern der Erde eindringt und in der Nacht der Wintersonnenwende von dort aus drei göttliche Eigenschaften ausstrahlt: Liebe, Licht und Leben. In der Weihnachtszeit öffnet sich das kosmische Tor zu Gott weit. Auch wenn wir keine mystischen Fähigkeiten haben, können wir in dieser Zeit Einsichten gewinnen, Antworten auf drängende Fragen finden oder unsere Dunkelheit dank des intensiven Lichts Christi auflösen, das dann besonders die Atmosphäre der Erde durchdringt.
Auf diese Weise wird der Geist der vergangenen Weihnacht nicht nur zum Führer durch Scrooges persönliche Vergangenheit, sondern auch zum symbolischen Führer für uns – er lädt uns ein, die uralte, zeitlose Weisheit zu erfahren, die vom Vergessen zum Licht, von der Knechtschaft des Egos zur Freiheit der Seele führt.
Der Geist der diesjährigen Feiertage
Nach der Begegnung mit dem Geist der vergangenen Feiertage kommt die Zeit für den Geist der diesjährigen Feiertage – eine farbenfrohe, fröhliche Figur, die Wärme und Überfluss ausstrahlt. Dickens beschreibt ihn als einen Riesen, umgeben vom Schein der Kerzen, dem Duft von Weihnachtsgerichten und grünen Girlanden, der die Eigenschaften eines heidnischen Fruchtbarkeitsgottes und der christlichen Liebe in sich vereint. Dieser Geist zeigt Scrooge die Gegenwart, die er bisher ignoriert hat. Er nimmt ihn mit in die Häuser einfacher Menschen und zeigt ihm Freude, Gemeinschaft und Dankbarkeit, selbst dort, wo Armut herrscht. Er erinnert daran, dass Weihnachten nicht aus materiellen Geschenken besteht, sondern aus Herzensgüte, Freundlichkeit und Präsenz. In diesem Zusammenhang fallen in dem Buch wichtige Worte: „Es ist die Pflicht eines jeden Menschen, dass seine Seele sich mit der Seele seiner Mitmenschen vereint und während seiner gesamten irdischen Wanderung in brüderlicher Verbundenheit mit ihnen bleibt.” Diese Vereinigung der Seelen kann jedoch nicht als soziale Pflicht verstanden werden, sondern eher als mystische Erhebung auf eine höhere Ebene des Daseins. Auf dieser Ebene ist alles, was existiert, in ein einziges Bewusstsein eingetaucht – in einen einzigen Willen, der einen Plan für jede Manifestation des Lebens hat. Dort herrscht ein tiefes Bewusstsein dafür, dass die materielle Existenz die Göttlichkeit auf unvollkommene und unreine Weise widerspiegelt. Auf einer höheren Ebene gibt es jedoch Platz für diese Unvollkommenheit – es gibt Akzeptanz, Ordnung und einen Zweck auch für sie.
Es gibt göttliche Ebenen, auf denen ewige Glückseligkeit und Freude herrschen, aber das irdische Reich ist anders. Hier drückt sich Liebe auch in der Akzeptanz des Schattens aus, darin, die „Schläge” des Schicksals mit Gelassenheit und dem Bewusstsein anzunehmen, dass sie Teil unseres Lebensplans sind – zu unserer Läuterung und Veredelung. Erst wenn in unserem Inneren ein echtes „Ja” zum Leiden entsteht, können wir die christliche Haltung, die uns vom Egozentrismus befreit, vollständig verwirklichen, eine Haltung, die in den Worten enthalten ist: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe, Herr.”
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Unterwerfung unter diesen Willen unweigerlich zu Schmerz und Leid führt. Es bedeutet vielmehr, dass der Mensch allmählich aufhört, sich mit seinem Ego zu identifizieren. Er verliert sein Verlangen nach dem Erwerb von Gütern, die in dieser Welt als besonders wertvoll gelten. Mit dieser Haltung geht auch der Verzicht auf das Bedürfnis einher, alles kontrollieren zu wollen, das aus Angst und dem Wunsch, das eigene „Ich” zu schützen, entsteht. Wenn die Befreiung von falscher Bewusstheit zum übergeordneten Ziel des Menschen wird, dann gibt er sich vertrauensvoll der Führung hin – und genau darin liegt die wahre Freiheit.
Das Tor zu dieser Haltung befindet sich im Herzen des Menschen. Es ist der Teil des göttlichen Bewusstseins, den die alten Eingeweihten als Funken des Geistes oder Rose bezeichneten. Er stimmt uns auf großzügige Liebe ein – eine Liebe, die sowohl Vollkommenheit als auch Unvollkommenheit umfasst, die Freude und Mühen, Lob und Beleidigung gleichermaßen annimmt. Es ist eine Liebe, die alle Erscheinungsformen des Daseins als Ausdruck des Lebens ehrt, das letztlich in Gott versunken ist.
Der Geist der diesjährigen Feiertage regt uns dazu an, über unseren Umgang mit der Gegenwart nachzudenken. Unsere Gedanken sind oft so sehr mit den Erfahrungen der Vergangenheit überladen, dass wir den gegenwärtigen Moment nicht klar, frei von Ängsten und Vorurteilen wahrnehmen können.
Selbst unser Erkenntnisapparat schränkt die Möglichkeit einer objektiven Wahrnehmung der Welt ein. Der Philosoph Alan Watts bemerkte, dass Licht ohne das menschliche Auge nicht „hell” wäre, Dornen ohne empfindliche Haut nicht „scharf” wären und Felsen ohne Muskeln nicht „hart” oder „schwer” wären. „Hell”, „scharf”, „hart” und „schwer” existieren nur in Bezug auf unsere Sinne. Hundert Jahre zuvor kam Ralph Waldo Emerson zu ähnlichen Schlussfolgerungen – wir neigen dazu, der Welt zu viele Eigenschaften zuzuschreiben und uns selbst zu wenige. Der Physiker P. W. Bridgman hat es treffend formuliert: „Im Allgemeinen sollten wir niemals über die Welt um uns herum nachdenken, ohne das Nervensystem in unseren Köpfen zu berücksichtigen, mit dessen Hilfe wir die Welt wahrnehmen. ” (3)
Die Rose des Herzens und das in ihr verborgene Entwicklungspotenzial ermöglichen es uns, uns von den Beschränkungen unseres gegenwärtigen Erkenntnisapparats zu befreien. Mit zunehmender spiritueller Reife beginnen sich subtile Erkenntnisinstrumente zu entwickeln, die unabhängig von unseren natürlichen Sinnen sind. Mit diesem Prozess befreien wir uns allmählich von den Überresten der Vergangenheit, von Filtern, Programmen und Vorurteilen. Unser Nervensystem unterliegt einer Transformation – die Rolle des alten Systems wird von einem neuen übernommen, das auf höhere Dimensionen der Wahrnehmung abgestimmt ist. Das karmische Gepäck, das uns bedingt und sich im Basis-Chakra angesammelt hat, wird verbrannt und befreit uns von der Gewohnheit, „wir selbst zu sein” in seiner begrenzten, bedingten Form.
Der Geist der diesjährigen Feiertage ist immer derselbe – er wird uns unverändert geschenkt, aber unsere Reaktion darauf ändert sich mit unserem Bewusstseinszustand. Allzu oft versuchen wir in der Weihnachtszeit, den „Götzen der Fülle” zu befriedigen – wir kochen, putzen, dekorieren –, bis uns die Materie zu erdrücken beginnt. Die Form übertrifft den Inhalt, und der Sinn geht unter der Last der Vorbereitungen verloren. Aber das muss nicht so sein.
Die Botschaft des Geistes der diesjährigen Feiertage lautet: Sei achtsam. In diesem Moment entscheidest du, ob du dich dem begrenzten Bewusstsein von Scrooge – einem egozentrischen Menschen der Masse – anschließt oder dich für den Strom der Ewigkeit öffnest. Selbst im dunkelsten Moment deines Lebens kannst du dich in der Gegenwart verankern und dich daran erinnern: Dies ist der Moment – das schmale Tor zur Ewigkeit, dies ist das Geschenk, das mir die Wahl lässt.
In einer mystischen Dimension ist der Geist der diesjährigen Feiertage eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft – eine Erinnerung daran, dass wir im gegenwärtigen Moment unsere Realität erschaffen und unser zukünftiges Schicksal gestalten.
Die zwölf Heiligen Nächte
Es ist eine besondere Zeit des Jahres – der Unterschied zwischen den zwölf Zyklen des Mondes, der das natürliche Bewusstsein des Menschen symbolisiert, und dem zwölfmonatigen Zyklus der Sonne, die das göttliche Bewusstsein repräsentiert. Rudolf Steiner sprach davon als einer „Zeit außerhalb der Zeit” – einem mystischen Raum zwischen dem alten und dem neuen Jahr, in dem die gewöhnliche, lineare Zeit stillsteht und in dem der Mensch sich spirituell reinigen und erneuern kann, da die spirituellen Kräfte des Tierkreises dann besonders intensiv wirken.
Jede der Zwölf Heiligen Nächte entspricht einem Zeichen des Tierkreises und damit einem Aspekt der menschlichen Seele. In dieser besonderen Zeit haben wir die Möglichkeit, die zwölf spirituellen Kräfte in uns zu überdenken, zu reinigen und vorzubereiten, entsprechend dem Einfluss der Tierkreiszeichen. Rudolf Steiner sah diese Zeit als eine Zeit, in der die Christus-Seele in den Kern der Erde hinabsteigt und der Mensch sich für einen tieferen Kontakt mit den spirituellen Hierarchien öffnet.
In esoterischer Hinsicht kann während der Zwölf Heiligen Nächte auch eine subtile Veränderung im menschlichen Körper stattfinden, wir können Inspirationen aus höheren Bewusstseinsbereichen vollständiger wahrnehmen. Die Erde ist zu dieser Zeit wie „eingeschlafen” – das Leben der Pflanzen und der Natur kommt zum Erliegen, sodass der menschliche Geist erwachen kann. Die zwölf Tage der Heiligen Nächte bilden einen spirituellen Kalender – jede Nacht ist der „Keim” eines Monats des kommenden Jahres:
- Die Nacht vom 25. auf den 26. Dezember entspricht dem Januar,
- die Nacht vom 26. auf den 27. Dezember dem Februar,
- …
- die Nacht vom 5. auf den 6. Januar dem Dezember.
Der Höhepunkt ist der 6. Januar – das Fest der Erscheinung des Herrn, das Steiner als den Tag der Offenbarung Christi als kosmische Sonne und den Beginn des Weges zur inneren Initiation bezeichnete. Auf diese Weise wird das Portal der Zwölf Heiligen Nächte zu einer einzigartigen Möglichkeit, hier und jetzt zu handeln – diesen mystischen Raum für spirituelle Reinigung, Erneuerung und bewusste Gestaltung der Zukunft zu nutzen.
Der Geist der zukünftigen Weihnacht
Nach dem Geist der vergangenen und der diesjährigen Weihnacht kommt die Zeit für den dritten Geist – den Geist der zukünftigen Weihnacht, der im Gegensatz zu den vorherigen düster, still und geheimnisvoll ist. Dickens stellt ihn als gesichtslosen Charakter in einem schwarzen Gewand dar, der Angst und Unruhe hervorruft. Es ist der Geist der Zukunft, die noch nicht gekommen ist, voller Unsicherheit und Konsequenzen unserer Entscheidungen.
Der Geist der zukünftigen Weihnacht zeigt Scrooge die Folgen seines gegenwärtigen Lebens und Verhaltens – Einsamkeit, Vergessenheit und schließlich einen Tod ohne Würde. Es ist eine Vision, die ihn erschrecken und zu einer Veränderung zwingen soll. Auf dieser Reise gibt es keine Freude und keine Wärme, sondern nur das kalte, unerbittliche Urteil der Zukunft, das jeden Menschen erwartet – wenn er sein Herz und seine Haltung gegenüber anderen nicht ändert.
Es ist der Moment, in dem Scrooge seinem eigenen Schicksal gegenübersteht: einem verlassenen, namenlosen Grab, das spirituelle und soziale Ausgrenzung symbolisiert. Dieser Geist spricht nicht, aber sein Schweigen ist vielsagend – es ist eine Warnung, dass die Zukunft davon abhängt, was wir jetzt tun.
In einer tieferen, mystischen Dimension ist der Geist der zukünftigen Weihnacht ein Symbol für die Notwendigkeit der Veränderung und des Todes des Egos – des alten „Ichs”, das die spirituelle Entwicklung hemmt und uns an den Kreislauf von Geburt und Tod bindet. Es ist eine Vorankündigung des inneren Todes und der Wiedergeburt, die notwendig sind, um den Weg des wahren Lebens und des Lichts zu beschreiten.
In der Konfrontation mit diesem Geist beginnt Scrooge zu verstehen, dass Veränderung unvermeidlich ist und dass seine Zukunft davon abhängt, ob er sein Herz für Liebe, Mitgefühl und Gemeinschaft öffnet.
Schluss
Die drei Geister der Weihnacht zeigen die Konfrontation unserer Vergangenheit – oft schwer und belastend – und unsere Neigung, die Zukunft zu planen, mit dem Raum der göttlichen Ewigkeit, der die Zeit durchdringt und überwindet. In dieser besonderen Zeit des Jahres fällt es uns leichter, uns auf den Heiligen Atem einzustimmen – eine geheimnisvolle Kraft, die die irdische Atmosphäre durchdringt, uns mit dem Bewusstsein der gesamten Schöpfung verbindet und uns für eine tiefe Einheit öffnet.
Unter dem Einfluss dieser Kraft hat sich Scrooge verändert: „Er war ein ganz anderer Mensch geworden. Von da an war er ein so guter Freund, ein so guter Arbeitgeber, ein so guter Mensch, wie es gute Menschen in guten alten Zeiten, in einem guten alten Land, in einer guten alten Stadt, in einer guten alten Welt waren.”
Möge diese Zeit der Wende für uns eine Zeit solcher Veränderungen sein. Möge sie uns für die Sonne des neuen Bewusstseins öffnen – für die Liebe, die sowohl das Licht als auch den Schatten durchdringt und umfasst. Möge sie uns auf die Stille einstimmen, auf die symbolische Stunde Null, aus der jeder von uns als neuer Mensch hervorgehen wird – im Einklang mit der Fülle.
(1) Charles Dickens, A Christmas Carol, Wolne Lektury, Übersetzung unbekannt, Text basierend auf: Charles Dickens, A Christmas Carol. A Fantastic Tale with Illustrations, Feliks Owczarek Publishing House, Łódź 1947
(2) Man int the Light of Occultism, Theosophy and Philosophy, GA 137, Lecture VII, https://rsarchive.org/Lectures/GA137/English/RSP1964/19120609p01.html
(3) Larry Dossey, Słowa, które uzdrawiają. Siła modlitwy a praktyka medyczna, Jacek Santorski & Co Verlag, 1993.
