Unsere Gruppe versammelt sich auf einem kleinen Parkplatz und wartet auf ihre Abreise. Man kann von der Umgebung wenig erkennen. Uns ist alles erzählt worden, was wir zu erwarten haben, jedoch nicht, wohin uns die Reise führen wird.
Dauernd schaue ich mich um. Die anderen scheinen so selbstsicher zu sein. Sie haben Rucksäcke, Bergschuhe und Wasserflaschen bei sich. Ich glaube, dass sie alle ein Überlebenstraining mitgemacht haben, da ihnen alle Fachausdrücke bekannt sind. Sie diskutieren mit den Leitern so mühelos, als ob sie bereits öfter derartige Reisen unternommen hätten.
Für mich ist alles neu. Ich höre nur staunend und mit offenem Mund zu. Das alles hört sich an, als hätte ich auf diesen Augenblick mein ganzes Leben lang gewartet.
In mir steigen viele Fragen auf, aber keine stelle ich. Sie werden dennoch beantwortet. Als ich gefragt werde, ob ich auf die Reise gehen möchte, bin ich sehr verwundert, dass ich akzeptiert worden bin. Zu gleicher Zeit weiß ich, dass mich nichts davon abhalten wird. Alle Nachteile – denn diese liegen auf der Hand – sind berücksichtigt.
Nichts wird mich von dieser Reise abbringen. Nach einiger Zeit habe ich das Gefühl voller intensiver Erwartung, nicht wissend, was mich eigentlich erwartet. Ein alter Mann hat mir einfach zugelächelt. Er hat mir das Gefühl gegeben, dass ich auf einem guten Weg bin. Unbegreiflich, aber unmissverständlich.
Dann bin ich dieser Reisegesellschaft begegnet. Es ist eine bemerkenswerte Ansammlung von Menschen – alle sind so verschieden…
Und ich bin ein Neuling, obwohl ich mich in mittlerem Alter befinde. Die Zuversichtlichen sind eigentlich viel lässiger. Sie organisieren einen Vorbereitungsabend wie ein Spiel, das sie spielen wollen. Aber ja, sie wissen auch sehr viel von allem. Was ist das nun? Gehen die Leute mit den Rucksäcken schon weg, oder scheint es nur so? Ja, so ist es. Sie gehen zurück, doch zurück kann niemals der richtige Weg sein, denn es gibt kein Zurück.
Die Leiter kommen auf uns zu und wünschen eine gute Reise. Wir geben einander die Hand, und bald stehe ich allein vor dem Abenteuer. Sie werden denken, dass das inmitten einer Gruppe nicht möglich ist – und doch ist es so. Ich habe nichts als einen Kompass bei mir, und ich weiß noch nicht einmal, wie ich mit ihm umgehen muss. Weil ich nicht weiß, wohin ich gehen muss, fange ich einfach an zu laufen. Das gefällt mir ausgezeichnet. Es ist eine schöne, abwechslungsreiche Umgebung und regelmäßig begegne ich einem Reisegefährten, manchmal einem, den ich kenne und der schon länger unterwegs ist. Ein jeder geht nach seinem eigenen Kompass, aber jeder funktioniert vermutlich anders, denn niemand läuft neben oder hinter mir.
So fühlt es sich jedenfalls an, denn wenn ich mich umschaue, sehe ich niemanden.
Ich bin so froh, dass ich unterwegs bin, sodass ich beinahe zu hüpfen anfange.
Komische Hindernisse sind nicht zu bemerken, obwohl man mich davor gewarnt hat. Gelegentlich sehe ich jemanden mit einem sorgenvollen Gesicht dastehen. Dann begegne ich einem, der vor Erschöpfung auf dem Boden liegt. Ich will ihm helfen aufzustehen, aber es geht nicht; er sagt, er möchte sich selbst helfen.
Natürlich regnet es das eine oder andere Mal. Auch ist es oft kalt oder sehr heiß, aber im Allgemeinen verläuft meine Wanderung sehr flott. Auf einmal komme ich an eine Grenze. Nicht dass ich diese sehen würde, aber ich spüre sie, als ich darüber gehe.
Jetzt ist alles neu und unbekannt. Ich laufe vorsichtiger, oft zweifelnd, ob ich links oder rechts gehen soll. Es liegen Felsen im Weg, über die ich klettern muss, was manchmal sehr gefährlich ist. Es sind hohe
Brocken, und ich bin ziemlich erschöpft.
Es folgen eng verlaufende Trampelpfade mit hohen Felswänden links und rechts.
Die Wege sind durch den Regen glatt und schmierig.
Dennoch wünsche ich mir niemals, zu Hause geblieben zu sein, denn zu Hause, das ist hier in diesem Augenblick.
Nun stehe ich vor diesem kolossalen Fels schon wochen- oder monatelang, aber das weiß ich nicht mehr so genau. Ich habe alles ausprobiert: gedrückt, gezogen, geschoben, gehackt, geritzt, ich habe ihn erstürmt, erstiegen und bin wieder abgerutscht. Kein Mensch begegnet mir, und ich komme keinen Schritt voran. All meine Kraft wende ich auf, aber ich komme nicht vorwärts. Oft kann ich nicht sehen, was dahinter oder auf der Seite ist. Zurückzugehen ist unmöglich, ich brauche es gar nicht zu versuchen. Aber ich kann doch nicht immer hier bleiben?
Ich habe Hunger und Durst, und das treibt mich an, alles zu versuchen, den Felsblock wegzukriegen. Aber je mehr ich mich anstrenge, desto mehr ermüde ich. Ich will aber bestimmt nicht schlafen. Schlafen darfst du niemals, ist mir versichert worden, denn dann ist es sehr schwer, wieder wach zu werden.
Ich setze mich auf den Vorsprung des Felsbrockens, um alles zu überdenken, und um eine Methode zu finden, weiterzukommen.
Es muss doch zu schaffen sein. Ab und zu ist mir, als ob mir etwas dämmern würde.
Wirklich greifbar ist es aber nicht; denn wenn ich danach fassen möchte, ist es wieder weg. Das einzige, was wirklich in dieser Umgebung meine Aufmerksamkeit fesselt, ist ein großer Vogel, der schon eine Zeitlang oben auf dem Felsen sitzt. Sonst habe ich all die Zeit über keine Tiere gesehen. Der Vogel schaut mich seltsam von der Seite an. Ich bin so allein, dass ich gern ein Gespräch anfangen möchte, aber das ist doch dumm.
Ab und zu schwingt er sich ein Stückchen auf und kehrt wieder auf denselben Platz zurück. Es wäre herrlich, wenn auch ich fliegen könnte, so denke ich, dann könnte ich über alles hinwegfliegen. Ob der Vogel wohl auf der anderen Seite des Felsens lebt?
Schau, nun steigt er auf, höher als vorher, und ich verfolge ihn mit meinem Blick.
Höher und höher fliegt er, und es ist herrlich zu sehen, wie seine Schwingen sich in der blauen Luft abzeichnen. Es bildet sich ein Kreis aus Licht um ihn herum, ich entdecke, dass er genau zwischen mir und der
Sonne gleitet, direkt ins Licht hinein.
Ich vergesse den Felsen und lasse mein Herz mit ihm fliegen, so herrlich, leicht und frei. Kein Teil meiner Reise kommt an dieses Erlebnis des hohen Flugs heran. Es scheint, als ob der Vogel eine Krone trägt, getaucht in weißes Licht mit Edelsteinen, die in allen Farben funkeln. Es ist eigenartig, aber ich komme ihm immer näher, und bald erreiche ich seinen Rücken, auf dem ich einen bequemen Sitzplatz finde. Zusammen sausen wir durch den leuchtenden Himmel, aber auf einmal denke ich wieder an die Reise. Führt sie nach oben?
Der Vogel dreht seinen Kopf, und ich schaue in die Augen eines alten Bekannten, aber wer ist das? Seine Stimme ist tief und hoch zugleich, leise und deutlich: „Erst hinauf und dann wieder hinab, an die Arbeit.“
Voll guten Mutes schweben wir hinunter an die Stelle, wo ich zuvor gestanden habe. Der Felsblock ist zwar immer noch da, aber jetzt ist er durchsichtig.
Ich mache einen Schritt vorwärts, und ohne Mühe laufe ich hindurch.