Wenn in uns die Ahnung, ja die Kenntnis universeller Zusammenhänge als Gewissheit erwacht, kann alle Sorge, alle Angst von uns fallen.
In wen einmal die ursachlose Freude eingezogen ist, der hat hinfort das ewige Leben, denn er ist vereint mit dem „ICH“, das den Tod nicht kennt – der ist immerdar Freude, und wäre er auch blind und als Krüppel geboren.
Mein Lied ist eine ewige Melodie der Freude. Wer die Freude nicht kennt – die reine, grundlose freudige Gewissheit, die ursachlose: Ich bin, der ich bin, der ich war und immer sein werde – der ist ein Sünder am heiligen Geist.
Vor dem Glanz der Freude, die in der Brust strahlt wie eine Sonne am inneren Himmel, weichen die Gespenster der Dunkelheit, die den Menschen als die Schemen begangener und vergessener Verbrechen früherer Leben begleiten und die Fäden seines Schicksals verstricken. Wer das Lied der Freude hört und singt, der vernichtet die Folgen jeglicher Schuld und häuft nie mehr Schuld auf Schuld.
Wer sich nicht freuen kann, in dem ist die Sonne gestorben, wie könnte ein solcher Licht verbreiten? Sogar die unreine Freude steht näher dem Licht als der finstere, trübselige Ernst.
Du frägst: wer ich bin? Die Freude und das Ich sind dasselbe. Wer die Freude nicht kennt, der kennt auch sein Ich nicht.
Das innerste Ich ist der Urquell der Freude, wer es nicht anbetet, der dient der Hölle.
Steht nicht geschrieben: „Ich“ bin der Herr, dein Gott; du sollst nicht andere Götter haben neben mir?
Wer das Lied der Nachtigall nicht hört und singt, der hat kein Ich; er ist ein toter Spiegel geworden, in dem fremde Dämonen kommen und gehen – ein wandelnder Leichnam wie der Mond am Himmel mit seinem erloschenen Feuer.
Versuch’s nur, und freu dich!
So mancher, der’s versucht, fragt: Worüber soll ich mich freuen? Die Freude braucht keinen Grund, sie wächst aus sich selber, wie Gott; Freude, die einen Anlass braucht, ist nicht Freude, sondern Vergnügen.
So mancher will Freude empfinden und kann nicht – dann gibt er der Welt und dem Schicksal die Schuld. Er bedenkt nicht: Eine Sonne, die das Leuchten fast vergessen hat, wie könnte die mit ihrem schwachen Dämmerschein schon die Gespensterschar einer tausendjährigen Nacht vertreiben? Was einer sein ganzes Leben hindurch an sich selbst verbrochen hat, lässt sich nicht gut machen in einem einzigen kurzen Augenblick!
Doch in wen einmal die ursachlose Freude eingezogen ist, der hat hinfort das ewige Leben, denn er ist vereint mit dem „Ich“, das den Tod nicht kennt – der ist immerdar Freude, und wäre er auch blind und als Krüppel geboren. Aber die Freude will gelernt sein – sie will ersehnt sein, aber was die Menschen ersehnen, ist nicht die Freude, sondern der Anlass zur Freude.
Nach ihm gieren sie und nicht nach der Freude.‘
Wie sonderbar, überlegte der kaiserliche Leibarzt, da spricht aus einem wildfremden Menschen, von dem ich nicht einmal weiß, wer und was er ist, mein eigenes Ich zu mir!
Aus: Gustav Meyrink, Walpurgisnacht, 4. Kapitel: Im Spiegel
Humor – der Ernst der Gegenwart
Was kann unser wirkliches Ich anderes sein als die Sonne in uns, die Essenz – und wenn diese Sonne zu scheinen vergessen hat‚ zum Dämmerlicht geworden ist, wie solle sie die Gespensterschar einer tausendjährigen Nacht vertreiben? Wie sollte sie reinigend wirken können in unseren Seelen?
Jener Mensch, der sich des göttlichen Quells im Herzen bewusst wird und sich mit diesem Licht verbindet, lässt Dankbarkeit und stille Freude, manchmal auch deutlich wahrnehmbare sprühende Heiterkeit durch sich hindurch strahlen. Die Heiterkeit ist die Kraft des Himmels in uns, sie ist wie eine heilsame Medizin für manches betrübte, für manches irrende und nach Orientierung suchende Herz.
Wenn in uns die Ahnung, ja die Kenntnis universeller Zusammenhänge als Gewissheit erwacht, kann alle Sorge, alle Angst von uns fallen. Und dieses tiefe Ursachlose spricht aus dem Herzen als die GUTE NACHRICHT: Die Gottheit, das Licht des Unendlichen lebt als Same, als Anlage verborgen in der Mitte unseres Wesens – wartend. Aus Chaos, aus Anarchie wird, ja muss durch die Frische des flammenden Geistes Neues werden. Nicht umsonst kennen wir das Wort Heitere Anarchie als eine Voraussetzung für Entwicklung (Paul Feyerabend). Ist es nicht unsere Aufgabe als bewusst werdende Menschen, erstens zu verstehen und dann keinen Widerstand mehr gegen das Feuer, das verzehrende, zu leisten, jenes Feuer, das reinigt, heilt und heiligt?
Jenes Feuer, freigelegt in der Tiefe des Herzens, das Quell der Freude, Verheißung der Freiheit, Ehrfurcht gebietende Tiefe und Macht ist. Sein Licht wird zur sprühenden Aura von Wohlwollen und Liebe. Nichts ist ansteckender als Heiterkeit und Good Will des Herzens.