Burnout – endlich – können die alten Feuer nicht mehr brennen

Nach inneren Kriegen und Krisen, oft erst viele Jahre danach, verstehen wir, welch Glück im vermeintlichen Unglück lag, ja immer liegt: Das Alte brennt aus, stirbt, kehrt zur Erde zurück – und Neues kann werden.

Burnout – endlich – können die alten Feuer nicht mehr brennen

In den Tiefen des Winters erfuhr ich schließlich,
dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt.
(Albert Camus)

1 Eine kurze Geschichte

Einer meiner Freunde, er ist im mittleren Alter, die Kinder sind aus dem Haus, erzählte aus seinem Leben, dem so erfolgreichen. Und vom großen Zusammenbruch. Als Techniker ist er fasziniert von den Möglichkeiten eben der Technik, von Messgeräten und Berechnungen, ist viel im Ausland unterwegs, kennt unterschiedliche Kulturen, ist technisch-kreativ und fragt sich immer, was da und dort verbessert werden kann, ist einfallsreich hinsichtlich der Steigerung der Verkaufszahlen – – – und: seit Jahren leidet er, an Kopfschmerzen. Aber dafür  gibt’s ja Tabletten. Der Schmerz muss weg, ich muss ja arbeiten, ja natürlich ist’s ein Kampf, dynamisch bleiben, Leistung ist gefragt … Immer bekam er Bestätigung von seinen Mitmenschen dafür, wie gut er alles mache und wie tüchtig er sei.

Und dann plötzlich waren sie da – Freudlosigkeit, Leere und ein riesiger brennender Schmerz in der Seele, wie im Pizzaofen, wo das Holz daneben brennt, war das damals … ach wie sinnlos doch alles ist, Verzweiflung, Panik, was sein wird, wenn … Angst, Existenzangst – – – und plötzlich die Gewissheit, nichts mehr tun zu wollen, was nicht auf irgendeine Weise mit dem Inneren, nein dem Innersten zusammenpasst. Und da nun begann ein neues Leben, denn: die alten Feuer konnten nicht mehr brennen. Es war wie ein Tod im Feuerofen. Anfangs war das nicht einfach, doch endlich durfte etwas Neues beginnen. – Wie wahr er doch ist, dieser Satz vom Stirb und Werde! Sterben im Feuer.

2 Wahn und ein Haufen Asche

Kennen wir nicht alle diesen Größenwahn, wir, die großen Künstler, Experten; was haben wir nicht alles für Vorstellungen. Und irgendwann entpuppt sich das, was wir zu machen gewohnt sind, als Illusion, als Wahn, als Spinnerei, ja als schwere Seelenkrankheit, die unzählige nervliche und andere körperliche Gebrechen nach sich ziehen muss. Und dann, wenn die alten Feuer nicht mehr brennen können, wenn tiefe, trostlose Leere herrscht und Aschehaufen wie Grabhügel über den schwachen Seelen der lebend Toten liegen, erst dann beginnen wir zu fragen, beginnen zu untersuchen.

 3 Nur EINE Krankheit – Widerstand.

Wir werden getrieben von Zweifel zu Zweifel,
kaum jemand, der frei davon.
Und es ist gut, dass es so ist.
Die Zweifel lassen Furcht wachsen,
Sorgen und Ängste,
es sind die Erfahrungen der Hölle.
Und es ist gut, dass es so ist.

Ja, es ist gut!
So bleiben wir in Bewegung,
so erfahren wir schmerzhaft die Untauglichkeit unserer Irrlichter;
so lange, bis wir ausgebrannt sind.

Burnout – eine der boomenden Diagnosen unserer Tage,
und es ist gut, dass es so ist.

Die einzige Krankheit, die Ursache all unserer Missstände, ist, über den Lauf der Dinge, über die Gesetze des Lebens nicht Bescheid zu wissen und daher ängstlich zu sein und im Widerstand zu bleiben.

Die Zeit, die wir aktuell erleben, ist für viele herausfordernd, kompliziert; doch wurden die Tage vor 50, 60 oder 70 Jahren damals nicht auch so empfunden? Früher war es in unseren Breiten vor allem äußere Not, welche die Menschen trieb, um zu überleben – und es sind innere Not, Heimweh, eine alte Sehnsucht, die uns heute hetzen, uns im Kreis laufen lassen, gar nicht selten bis zum Burnout …

4 Aquarius

Unsere Welt ist dabei, immer weiter in das Sternbild des Wassermanns einzutreten. Wassermann: Freiheit, Ungebundenheit der Seele und riesiges Chaos, aus dem der Phönix, der Feuervogel, sich ununterbrochen erheben will, ja erheben wird – als die vollkommen gesunde Seele, die auch über einen entsprechenden Körper verfügt. Doch bevor das so ist, müssen wir die Erfahrungen im Chaos, im Auseinanderfallen erleben, müssen wir durch viele Veränderungen gehen, die nichts anderes sein wollen als mögliche Zeiten der Reifung. Das, was nicht mehr tauglich ist, muss gehen dürfen, damit Neues werden kann (da ist es wieder, dieses ständige Stirb und Werde). Und nach den inneren Kriegen und Krisen, oft erst viele Jahre danach, verstehen wir, welch Glück im vermeintlichen Unglück lag, ja immer liegt: Das Alte brennt aus, stirbt, kommt zur Erde zurück – und Neues kann werden. Es ist ähnlich wie bei der Raupe und dem Schmetterling: Den Tod der Raupe nennt der Rest der Welt Geburt des Schmetterlings.

5 Opfer oder Nichtopfer …

… das ist hier die Frage. Solange wir gern Opfer – des kollektiven und eigenen Wahns – bleiben, wir gern anderen die Schuld in die Schuhe schieben für unsere Missstände und Missverhältnisse, so lange liegen die Horizonte von Lebenserfüllung und Freude im Dunkeln, und damit unser ganzes Wesen.

Erst dann, wenn wir vollkommen eigenverantwortlich leben, erst dann beginnt der Weg der Metamorphosen, der Wandlungen des Alten, Verschatteten hin zum Neuen, Lichten, und dann entzünden wir die Feuer des Lebens, deren Quell im Innersten liegt, dann lösen sich in bewusster Gegenwart Angst und Überforderung, Schwäche und Tod auf. Der Weg hierfür ist geebnet, solange das eigene Herz offen bleibt für die Inspirationen der geistigen Essenz aus dem Innersten.

Also können wir doch von Glück reden, wenn wir keine Kraft mehr haben, in den Labyrinthen der Welt zu irren? Hat nicht jeder von uns schon die Erfahrung gemacht, wie sich vordergründige Missgeschicke wandeln können in Glück und Freude, wenn wir bereit sind, sie zu verstehen und dann sie anzunehmen! Das heißt, nicht in unseren alten üblichen Widerständen zu verhärten. Auch ich würde nicht über diese Dinge schreiben, wenn nicht immer wieder leichte oder schwerere Dissonanzen Einhalt erzwungen hätten im Gang des Gewohnten und so Platz gemacht hätten für Neues.

6  Heilung

Wenn je von Heilung gesprochen wird, ist immer nur Selbstheilung gemeint, nichts anderes. Für diese bedarf es allerdings einer nicht immer und überall selbstverständlichen Eigenschaft: Mut, jedoch nicht Übermut, denn dies ist der Mut des Wahnsinnigen, der, berauscht von diversen Schatten und Trugbildern, in Unkenntnis der natürlichen Zusammenhänge lebt. Kenntnis über diese Zusammenhänge zu erhalten und diese auch zu verwirklichen, ist einer der großen Aufträge, die das Universum dem Menschen stellt, damit er zu dem wird, wozu er gedacht und geadelt ist: unsterbliche Seele, bewusster Mitschöpfer, Ewigkeitsgänger.

Es stimmt schon, viele von uns zweifeln an der Wirklichkeit, an der Wahrhaftigkeit eines unsterblichen Lebens; und das, obwohl alles voller Symbole und Zeichen ist, die uns an das Todlose, an das unendliche Selbst in uns erinnern wollen und die seit undenklichen Zeiten von den Weisen aller Regionen aufgezeigt sowie von der Natur zur Verfügung gestellt werden. Erkunden wir doch nur den Kern aller Religionen, die Legenden und Märchen der Völker, die darauf hinweisen, betrachten wir die ständigen Wandlungsvorgänge im natürlichen Leben –  alles Irdische ist nur Gleichnis – für das Werden, für das Entflammen des Wahren Menschen. Denken wir in einer stillen Minute mal an uns selbst:

Wie eigenartig, wie fremd mutet uns die Idee an, sterblich zu sein? Im tiefsten Wesen erfühlen wir uns doch als unsterblich. Einstein brachte es auf den Punkt: Der Tod – eine optische Täuschung. Solange uns unklar ist, was und wer wir eigentlich sind, solange unterliegen wir der Täuschung, der optischen Täuschung. Und dann können wir nicht anders sein als die arme Billardkugel, die hin und her gestoßen wird und die andere hin und her stößt, die mehr oder weniger zufällig den Ort erreicht, an den sie vorerst hin soll, um nach einer kurzen Pause der Erholung wieder auf den Tisch gelegt zu werden, um wieder herumgestoßen zu werden. Ach, wie tragisch, diese Willkür, diese Unbestimmtheit, diese Blindheit. Doch tatsächlich, diese Billardkugel, das ist unser Leben. Natürlich, wir funktionieren einigermaßen, wir befinden uns rechtschaffen in den Tretmühlen des gesellschaftlichen Wahnsinns, bis wir, ausgebrannt, von der Zeit entsorgt werden  als unbrauchbare leere Hüllen …

Dies erleben, erfahren, wissen wir, wenn die alten Feuer nicht mehr brennen können. – Wenn wir von alten Feuern sprechen, muss es auch neue geben. Und ein solches neues Feuer lebendig werden zu lassen, das ist unsere eigentliche, unsere einzige Aufgabe – es ist der unbesiegbare „Sommer“, der die Tiefen des „Winters“ hinter sich gelassen hat.


Leicht überarbeiteter Text aus dem Buch Wendezeit der Medizin, Teil 3, Zur Kunst des Einfachen, Verlag Zeitenwende, 2013


 

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Datum: Oktober 31, 2023
Autor: Klaus Bielau (Österreich)
Foto: butterfly-serge Leterrier auf Pixabay CCO

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