Sinnstiftende Architektur – Spiegel der kosmischen Siebenheit

Sinnstiftende Architektur – Spiegel der kosmischen Siebenheit

Besonders in religiösen Schriften, Mythen und Märchen taucht die Sieben häufig auf. Sie weist auf eine siebenfache göttlich-geistige Wirksamkeit hin.

Und diese spiegelt sich hier auf der Erde auf vielfältige Weise. Auch in alten Siedlungsstrukturen in Europa.

Warum interessiert uns die Siebenheit? Wir stoßen immer wieder auf die Betonung der Sieben. Besonders in religiösen Schriften, Mythen und Märchen taucht die Sieben häufig auf. Was steckt dahinter? Es muss doch eine inhaltliche Bedeutung für dieses Phänomen geben, welches uns aber nur selten verraten wird. Als ich den Artikel über Die Sieben Strahlen (Autoren: Helmut Mende, Gunter Friedrich) im Heft LOGON April 2023 las, fand ich ein Beispiel der tieferen Erklärung. Dieser Text berührte mich, da ich selbst mit zwei weiteren Gedankensystemen der Siebenheit lebe, die in ihrer Bedeutung mit der Siebenheit der Strahlen übereinstimmen. Und dann fand ich noch Zugang zu einen Text der Stiftung Rosenkreuz über die tiefere Bedeutung der Zahlen unter dem Titel Zahlen erzählen die Geschichte des Lebens (Autorin: Ursula Korb).

Meine weiteren Siebenersysteme sind einerseits Die sieben Ortsteiltypen und andererseits die Lehre der Sieben Chakren. Ich bearbeitete Anfang der 70er Jahre einen städtebaulichen Forschungsauftrag der Stadt München zur Untersuchung der 60 alten Dorfkerne im Stadtgebiet. Dabei fiel mir auf, dass einige Dorfkerne, die mich besonders ansprachen, aus sieben verschiedenen Ortsteiltypen bestanden. Dass diese Siebenheit etwas mit der seelischen Welt zu tun hat, erkannte ich zehn Jahre später als ich mit dem alten fernöstlichen Chakrensystem in Verbindung kam.

Das Prinzip der sieben Ortsteiltypen stammt aus dem Mittelalter, es bestimmt noch immer viele alte Orte und es wird auch heute noch gelegentlich verwendet. Angewendet wurde es aus dem Unterbewussten, denn die Handlungen, welche durch die Siebenheit gesteuert werden, entstehen in der Regel unbewusst. So tragen auch die meisten meiner Architekturprojekte den Stempel der Sieben. Das gilt auch für das Wohnprojekt, in dem ich mit meiner Familie lebe. Die Ortsteiltypen zeigen ein System, das ganz aus symbolisch zu deutenden Bildern besteht. Dadurch kommt es dem Bedürfnis der Seele entgegen, welche in Bildern denkt.

Nun kommt noch hinzu, dass meine Frau nach der oben genannten Chakrenlehre als Klangtherapeutin arbeitet. Die Chakrenlehre kann zur Therapie von psychischen und körperlichen Krankheiten eingesetzt werden. Die Chakren sind ätherisch-seelische Energiezentren im menschlichen Körper. Die Chakrenlehre stammt aus Indien und ist mehr als 4000 Jahre alt. Manche Psychologen meinen, dass 90 Prozent des menschlichen Handelns aus dem Unterbewussten beeinflusst wird. Und so müssen wir uns nicht wundern, dass die kosmische Siebenheit sich in verschiedenen Phänomenen des menschlichen Lebens spiegelt.

Die Eins

Bei der oben genannten städtebaulichen Untersuchung fiel mir auf, dass alte Dorfkerne gern in der Nähe von Bereichen errichtet wurden, die von Menschen schwer betreten werden konnten, weil sie Inseln, Steilhänge oder moorige Böden darstellten. München liegt an der Isar, die ursprünglich dort ein Wildfluss war. Man sagt, am Anfang waren die Wege, und München wurde gegründet mit dem Bau einer Brücke über den unwegsamen Fluss. Von der Brücke aus führt der Wirtschaftshauptweg nach Westen durch die Stadt.

Der erste städtebauliche Bereich ist also der wenig berührte Ursprung und das Herkommen auf dem Weg oder der Linie. Die Linie ist die erste geometrische Dimension. Man sehe sich auch die Ziffer Eins an, sie besteht aus der Linie. Diese ausgeprägte Form der Linie hilft bei der Analyse der kulturellen Dokumente der Geschichte. Denn hier gab es Bewusstseinsphasen, in denen die Kunstwerke in Linien aufgelöst wurden. Auch bei der Architektur spielte dann die Linie eine Rolle. Die Musik war einstimmig und in einer Linie. Das muss man in das Bild „Ursprung und Weg“ mit hineindenken.

Zur Eins gehört das Ich. Die erste Phase entspricht der Zeit der Kindheit. Ich will der Erste sein. Ich will beachtet werden. Ein gewisses Machtdenken ist dabei. Und ein allererstes Bemühen um die Aufgabe, die den Menschen sein Leben lang begleitet: Erkenne dich selbst. Nun kommt noch eine Besonderheit zur Eins. Sie hat eine Beziehung zur Sieben. Das heißt, das relativ Elementare der Eins kommt durch das Seelisch-Geistige der Sieben in ein Gleichgewicht. Bei der Eins steht das Urvertrauen, bei der Sieben das Vertrauen zur höheren Welt. Mit dieser Beschreibung habe ich eigentlich auch schon die Bedeutung des ersten Chakras behandelt.

Das erste Chakra ist das Wurzelchakra. Es befindet sich am Beckenboden und hat über die Beine die Bodenhaftung. Zum Wurzelchakra gehören der Lebenswille, die Gelassenheit, Bedürfnis nach Sicherheit, Realitätssinn und Bodenständigkeit – die Verbindung mit den Kräften der Erde. Da die Chakrenlehre auch ein Therapiesystem darstellt, spielen die Fehlhaltungen eine Rolle. Man kann sagen, das Fehlen der positiven Eigenschaften bzw. deren Übertreiben oder ein ihnen entgegengesetztes Verhalten führen zu einer Schädigung der Lebensqualität.

Die Zwei

Der zweite Ortsteiltyp ist etwas, was man als Landschaftspark bezeichnen kann. Es taucht bei den alten Ortschaften mit Flächen auf, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden. Vielleicht werden solche Flächen gelegentlich überschwemmt. Es sind oft Randflächen am Wasser, am Weg- und Waldrand oder am Ortsrand, welche aber meist einen hohen ökologischen Wert haben. Die Flächen werden gesellschaftlich für Rituale oder Volksfeste genutzt. Natürlich bewegen sich hier die Menschen auch rein privat. In den Städten zählen die grünen Parkanlagen zu diesem Typ.

Die Zwei hat mit der zweiten geometrischen Dimension, der Fläche, zu tun. In Zeiten, in denen die Zwei eine große Bedeutung hat, gehen die Kunstwerke von der Linie in die Flächen über. Auch die Musik wird breiter, mehrstimmiger, ruhiger. In der Literatur gibt es Mythen und die Beschäftigung mit der Liebe. Die Fläche ist Länge mal Breite, es geht um Beziehungen. Die Ziffer Zwei wurde früher wie Z geschrieben, welches die zwei Pole zeigt.

Das zeigt auch das zweite Chakra, welches Sakral- bzw. Sexualchakra heißt. Hierher gehört die Jugend. In dieser Phase entsteht ein Engagement für spirituelle Werte und Lebensziele, auch herrschen Lebensfreude und Kreativität. Es wächst das Interesse am anderen Geschlecht. Die Zwei ist das Du, die Beziehung zu allem. Es ist die Beziehung von Mann und Frau, aber auch die Beziehung zur Natur, zur gebauten Umwelt, zur Kultur und zu den höheren Prinzipien. Ähnlich wie bei der Eins gibt es eine Beziehung zu einem höheren Chakra, zum 6. Chakra, dem sogenannten „dritten Auge“.

Die Drei

Der dritte Ortsteiltyp besteht aus den landwirtschaftlichen und gärtnerischen Bereichen. Hier geht es um konkrete Erträge, welche wir für die Ernährung benötigen. Alle Erträge sind dreidimensional und durch die Verbindung der Drei mider Fünf, welche von den Gebäuden handelt, wird die dreidimensionale Form erneut bestätigt. Bei dem dritten Lebenszustand des Menschen, dem Erwachsensein, geht es um die Schaffung konkreter Werte zum Erhalt des Lebens der Familie mit den Kindern.

Das Dreidimensionale zeigt sich in geschichtlichen Zeiten, die das Konkrete, das Handfeste in der Kultur suchen, bei allen Kulturmedien. In der Kunst entstehen die schönen und perfekten Skulpturen, und die Malerei wird sehr plastisch und perspektivisch. Die Musik wird figürlicher und expressiver. Die Literatur entfaltet sich weiter in Texte für das Theater und die Oper. In der Philosophie spielt hier die Kraft und Individualität eine Rolle. Die Gestalt der Ziffer Drei zeigt die runde Plastizität.

Damit sind wir beim dritten Chakra, dem Solarplexus (Sonnengeflecht). Es befindet sich in der Bauchgegend. Man kann hier von Entscheidungsfähigkeit, Unabhängigkeit und Selbstermächtigung reden. Es gehört auch die Freude an der Arbeit und am Erfolg dazu. Die Drei ist geprägt von der Eigenschaft Stärke oder im negativen Fall von der Schwäche.

Die Vier

Der vierte Ortsteiltyp ist der Mittelplatz einer Bauanlage. Dazu gehören auch die Wege und weiteren Plätze. Das ist der Ort, der alles verbindet. Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entsteht nur, wenn die Platzwände geschlossen sind. Darin liegt auch der große Unterschied zur heutigen Art der Bebauung; sie besteht fast durchgängig aus frei stehenden Gebäuden, so dass eine Platzwirkung nicht entstehen kann. Die Beziehungen zeigen aber das Gemeinschaftliche, das Nachbarschaftliche und die Liebe der Menschen untereinander. Man möchte hier auch an Frieden und Heilung denken. Es gibt normalerweise keine vierte Dimension. Wir können aber davon reden, dass die drei Dimensionen miteinander verbunden werden. Man kann das als eine Art der ganzheitlichen Verwirklichung auf der biologischen Ebene ansehen.

Bei den Phasen des individuellen Lebens kommen wir zum alten Menschen, von dem man hofft, dass er durch besondere Weisheit gekennzeichnet ist. Das Alter verweist auf ein Ende. Aber in der Vier steckt auch ein Hinweis auf einen Neubeginn. In der Form der Ziffer Vier steckt das Kreuz. Die waagerechte Achse ist die weltliche und die senkrechte Achse die kosmische. In der mittelalterlichen Stadt gibt es meistens die zwei Achsen. Die „waagerechte“ Achse von Ost nach West ist die Wirtschaftsachse. An der „senkrechten“ Achse von Süd nach Nord liegen soziale, spirituelle und hoheitliche Einrichtungen.

Bei den Chakren sind wir beim Herz. Es ist das zentrale Organ, das alles verbindet und mit Energie versorgt. Die Eigenschaften, welche beim Ortsmittelpunkt beschrieben wurden, passen auch zu den Chakren. Es geht hier um Herzenswärme und Harmonie.

Die Fünf

Mit der Fünf werden die eigentlichen Gebäude benannt, sie verkörpert die vier Himmelsrichtungen und die Dimension der Höhe. Es geht um wirtschaftliches, nachhaltiges, wohngesundes Bauen und um harmonische, dem Menschen angemessene Formen. Dabei macht jede Gestalt auch eine tiefenpsychologische Aussage. Diese zu erkennen, ist eine wesentliche Aufgabe der Fünfheit. Wer sich um solche Bedeutungen kümmert, kann für sich eine geeignete Lebensumwelt planen. Im Mittelalter berührten sich die Häuser, was die Nähe der Menschen zueinander ausdrückte. Erst in der Neuzeit kamen wir zum freistehenden Haus, was den Individualismus anzeigt. Wir haben also nochmals die dritte Dimension. Bei den Chakren sind wir beim Halsschakra. Es geht um das Lernen, die Umsetzung von Ideen und um gute, offene Kommunikation.

Die Sechs

Als Sechs habe ich den Innengarten. Es handelt sich ähnlich wie bei der Zwei um eine Fläche. Allerdings ist diese Fläche nicht so offen wie bei der Zwei, sondern einsichtsgeschützt, also eine Innenfläche. Und wir haben es mit Innerlichkeit, mit Intuition zu tun. Solche Innengärten gab es im Mittelalter bei den Stadt- und Dorfhäusern. Bei den Kirchen und Klöstern ist es der Kreuzgang. Solche Innengärten finden sich in der mystischen, demokratischen Phase der Antike. Diese Form erhielt sich dann vermutlich häufig bis in die Römerzeit. In einer Gemeinschaftssiedlung ist solch ein einsichtsgeschützter Innengarten wichtig. Echte Gemeinschaftlichkeit ist auch anstrengend. Zur Stärkung der Individualität des Einzelnen war im Mittelalter und ist bei meinen Siedlungen an jeder Hauptwohnung ein solcher Innengarten.

Bei den Chakren sind wir beim „dritten Auge“. Das ist das eigentliche Zeichen der Spiritualität. Die seelische Nähe zum Mitmenschen, die Empathie und die Toleranz werden hier genährt. Es geht auch um Weisheit, Erkenntnis und Bewusstsein. Das 6. Chakra hat Nähe zum 2. und 4. Chakra. Das sieht man auch an den Ziffern, denn die 6 ist 3 x 2 und die 4 ist 2 x 2.

Die Sieben

Bei den Ortsteiltypen ist die Sieben ein Zeichen der Lebenseinstellung. Bisher prägend waren Kirchtürme, Minarette oder Pagoden. Heute sind es Hochhäuser, welche als Symbole materialistischer Werte die Gesinnung der Bevölkerung deutlich machen. Mit dieser Form wird wieder die erste Dimension, die Linie, gezeigt: Im Gegensatz zur Eins nicht als einzuschlagender Weg im „Unten“, sondern als nach oben weisendes Zeichen der Vollendung. Bei den Chakren – dem Kronenchakra – geht es um das Aufgehobensein und die Verbindung zum Himmel.

Schlussbemerkung

Die meist unbewusste Umsetzung der Siebenheit in der Siedlungsstruktur zeigt, dass hier Einflüsse aus höheren Ebenen wirksam waren. Ein tieferer Sinn des Lebens brachte sich zum Ausdruck. Er bereichert das Leben und bereitet eine bewusste Verbindung der irdischen Welt zur kosmischen Wirklichkeit vor.

 


Theodor Henzler, Geschichte des Bewusstseins und der Kultur. Basis einer neuen Gesellschaft, 2017

 

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Datum: August 23, 2024
Autor: Theodor Henzler (Germany)
Foto: Ökosiedlung Bamberg, oben: Dorfplatz Mitterkreith - Bild von Theodor Hentzler HD

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