Das Gesetz der Ewigkeit

Das Gesetz der Ewigkeit

Gibt es ein solches Gesetz überhaupt, oder: kann man es als „Gesetz“ bezeichnen?

Werde durch Freiheit, was du durch Schicksal bist
Hugo von Hoffmannsthal

Kosmische Gesetze in Zeit und Ewigkeit

Kosmische Gesetze äußern sich durch Bewegungen, die sich in der Ursubstanz der Ewigkeit vollziehen. Bewegung ist vielleicht das grundlegendste Gesetz, der Anfang aller Gesetzmäßigkeiten, wenn man die Ewigkeit an sich nicht schon als ein Gesetz betrachtet. Das Wesen des Menschen ist auf Bewegung ausgelegt. Wenn jede Bewegung aufhört, zerfällt der Organismus wieder in seine Bestandteile. In diesem Sinne ist Bewegung körperliche Fortbewegung innerhalb von Raum und Zeit, aber schon jeder Gedanke ist „Bewegung“ in der Ursubstanz. Er kann seine Wirkung ewig, zeitlich, kulturell oder materiell entfalten. Es gibt geistig-seelische, mentale, psychische und physische Bewegtheiten. Der Wille zur Offenbarung bringt Bewegung hervor. In der Ursubstanz entstehen so gerichtete Entwicklungen. sie werden zu Formen und Wesenheiten, die eine Geschichte in sich tragen.

In dem Moment, in dem sich Bewegung richtet und sich eine Form bildet, entwickelt sich eine Geschichte, deren Gesetzmäßigkeiten zur Einschränkung der absoluten Bewegungsfreiheit führen, einer chaotischen Bewegungsfreiheit, in der Entstehen und Vergehen in jedem Moment zusammenfallen. Wo jede entstehende Form im gleichen Moment wieder vergeht.

Wie in der Ursubstanz aus dem ursprünglichen Gedanken durch Entwicklung aus dem Einen zwei werden, aus den Zweien drei und so weitergehend, differenzieren sich die kosmischen Gesetzmäßigkeiten aus, nach denen sich die Kräfte und Formen in ihrem Zusammenspiel bewegen und reifen. Die Tabula Smaragdina, eine Schrift aus dem Alten Ägypten, beschreibt Reifung als Bewegung zwischen dem, was „oben“ ist und dem, was „unten“ ist. Die Bewegung nach unten bedeutet „Vergessen“ und „Erkenntnis“. Der Weg nach oben ist ein „Wahrnehmen“ und „Erinnern“. Die Bewegung nach unten ist ein Weg in die Vielheit und Individualität, die Bewegung nach oben der Weg in die Einheit und Zusammengehörigkeit. So nimmt jeder die Kräfte des Einen auf, wenn er zwischen „oben“ und „unten“ wandert, und der erste Gedanke, der seinem Dasein zugrunde liegt, verwirklicht sich.

So, wie sich das Geistig-Seelische im Menschen bewusst und unbewusst zwischen dem „Oben“ und dem „Unten“ bewegt, so bewegt sich sein Bewusstsein im alltäglichen Leben zwischen dem „Innen“ und dem „Außen“. Dadurch wird sein Schicksal sichtbar. In der Bewegung nach oben empfängt er die Möglichkeit, dieses Schicksal zu begreifen.

Werde durch Freiheit, was du durch Schicksal bist,

so der Dichter und Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal. Das Schicksal ist der Ausdruck des „Innen“, als Geschichte seiner Existenz, und seine Bewegungsfreiheit spiegelt sich in den Möglichkeiten, die er im „Außen“ leben kann. Selten begreifen wir die Spiegelung unserer inneren Welt, wenn wir unser biographisches „Außen“ erleben. So betrachten wir einen Teil unserer Erlebnisse als glückliche Fügungen und einen anderen Teil als Schicksalsschläge. Wir frohlocken oder wir leiden unter dem, was wir nicht verstehen. Der Kern des „Innen“, der dem Geist zugewandte Teil der Seele, steht beiden Lebensäußerungen gleichmütig gegenüber. Sein Kern ist die Stille der Ewigkeit, aus der er hervorgegangen ist und zu der er auch wieder zurückkehren muss. Es ist das Gesetz der Ewigkeit, dass alles in die Entwicklung drängt und alles auch wieder zu seinem Ursprung zurückkehren muss. Jeder Mensch drängt in jedem Moment in die Entwicklung, treibt seine Geschichte voran. Auf diese Weise entsteht inmitten der Ewigkeit ein grenzenloses Feld der Diversität, in dem der Mensch durch seine Geschichte eine fortschreitende Entwicklung der Gesetze hervorruft, nach denen er leben muss. Er steht unter dem Joch der Gesetze, die Reifung und Rückkehr zum Ursprung sicherstellen.

Freiheit durch Bewusstwerdung

In diesem grenzenlosen Land der Diversität, des ständigen Kampfes zwischen Gut und Böse, scheint Freiheit eine reine Utopie zu sein. Richtet der Mensch seine Aufmerksamkeit nach außen, dann sind die Gesetzmäßigkeiten oft der Inbegriff der Unfreiheit. Freiheit bedeutet hier häufig die Möglichkeit, das zu tun, was gerade Spaß macht. Auf Schritt und Tritt verfolgen uns aber die Gesetzmäßigkeiten, die uns vielleicht in eine Richtung führen, die wir nie einschlagen wollten. So erleben wir vieles als Fügung oder Schicksal.

Wie in der Natur alles im Rhythmus der Jahreszeiten entsteht, wächst und reift, so reift auch der Mensch mit der Entwicklung seiner Lebensgeschichte in den verschiedenen Lebensphasen.

So wächst das Bewusstsein für einen Prozess, den die Tabula Smaragdina beschreibt:

Von der Erde steigt es auf zum Himmel und wieder herab zur Erde,
um die Kraft des Oberen und Unteren aufzunehmen.
So wirst du die Herrlichkeit der ganzen Welt erlangen.
Alle Dunkelheit wird von dir weichen.

Im Geistig-Seelischen steigt der Mensch hoch zur Ewigkeit und sinkt wieder herab in die Materie. Dabei nimmt er die Impressionen von dem, was „oben ist und dem, was „unten“ ist, beständig in sich auf. Eine entsprechende Bewegung findet zwischen dem „Innen“ und „Außen“ statt: die Seele erlebt sich in der Persönlichkeit und durch sie in der materiellen Welt. So treibt das Leben die Reifung in einer vertikalen und einer horizontalen Bewegung voran, die ein Kreuz bilden. In der vertikalen Bewegung verschmelzen wir als Menschheit zu einer Einheit, lebt der Mensch ein „Wir“. In der horizontalen Bewegung lebt er ein persönliches „Ich“. Dort, wo sich diese beiden Bewegungen berühren, entsteht Bewusstsein der Mensch und die Menschheit entdecken, was sie in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit sind. Im Wechselspiel zwischen Zeit und Ewigkeit entwickelt sich ein Bewusstsein der Einheit. In ihm kommt die Persönlichkeit zur Ruhe und es bildet sich unter dem Einfluss des Geistig-Seelischen das Bewusstsein für eine Freiheit, die aus einem harmonischen Mitbewegen mit den schöpferischen Prozessen besteht.

Die gleiche Kraft, die vorher unverstanden das Leben durch Schicksalsschläge veränderte, wird nun zu einer Kraft, die in der Tabula Smaragdina folgendermaßen beschrieben wird:

Dies ist die starke Kraft der Kräfte.
Sie überwindet das Feine und durchdringt das Feste.
So ist die Welt erschaffen worden.
Auf diese Art und Weise entstehen die wunderbaren Schöpfungen.

Das Schicksal des Menschen ist seine Verwandtschaft mit der Ewigkeit, von dort ist er gekommen und dorthin muss er zurückkehren. Das grundlegende Gesetz der Ewigkeit, das dieser Entwicklung zugrunde liegt, ist das der Bewegung. Man kann sie in zehn Stufen gliedern:

Auf der Ebene der NULL gibt es nur Ursubstanz, die wie ein großes Meer ist, in dem das Feuer schläft.

Auf der Ebene der EINS teilen sich Feuer und Wasser für den Bruchteil einer Sekunde und der Geist bringt in einem Funkenschlag einen Gedanken hervor.

Auf der Ebene der ZWEI entwickelt sich eine Polarität zwischen Oben und Unten, die den Gedanken in Schwingung versetzt und ihm die Möglichkeit der Entwicklung verleiht.

Auf der Ebene der DREI führt diese Schwingung zu einem Bild in der Ursubstanz, in der sich der Gedanke in seiner ganzen Schönheit zeigt.

Auf der Ebene der VIER beginnt dieses Bild, seine Struktur zu entwickeln. Es entsteht ein Rahmen, in dem es zu leben beginnt, es bildet sich ein erster Ansatz von „innen“ und „außen“.

Auf der Ebene der FÜNF beginnt diese Struktur zu leben, zu handeln und sich zu bewegen. Sie schreibt ihre Geschichte, spannt einen heiligen Raum auf und entwickelt ihre Zeit.

Auf der Ebene der SECHS tritt sie in Raum und Zeit durch Wahrnehmung des „Außen“ mit anderen in einen Austausch.

Auf der Ebene der SIEBEN entwickeln sich Gesetzmäßigkeiten, die alles Leben zu Gruppen zusammenfassen. Die „sieben Strahlen“, machen ihre geistigen Ebenen erkennbar. Das Leben setzt sich auf einer höheren, interindividuellen Ebene fort.

Auf der Ebene der ACHT tritt diese Entwicklung wieder mit ihrem Ursprung in Verbindung.

Auf der Ebene der NEUN entwickelt sich die Freiheit eines vollkommenen Lebens, in dem das Bewusstsein, befreit von Hindernissen, zwischen dem Bild und dem ursprünglichen Gedanken pendelt.

Die Freiheit ist ein Mitbewegen mit der schöpferischen Vision, die in der Ursubstanz beschlossen liegt, ein Mitwirken, das jedes Gesetz zu einer harmonischen Kraft in der Entwicklung transformiert. Sinn der Entwicklung ist der vollendete Mensch als Teil der kosmischen Gesetzmäßigkeiten.

 

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Datum: November 2, 2024
Autor: Heiko Haase (Germany)
Foto: fractal-Pete Linforth auf Pixabay HD

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