Künstler versuchen uns in einen Bereich jenseits der materiellen Sphäre zu erheben.
Künstler sind die Träger der Ideale der Menschheit. Durch ihre Gedichte, Gemälde, Tänze und Musik erweitern sie unsere Sicht auf die Welt und verbinden uns mit den inneren, höheren Werten der Seele. Sie heben uns über unser alltägliches, physisches und oft banales Leben hinaus. Doch selbst wenn wir ihre Inspiration und ihre Beherrschung des Wortes, der Geste oder der Harmonie bewundern, können wir uns wundern, warum sich so wenige Künstler zu einem spirituelleren oder initiatorischen Weg hingezogen fühlen; Künstler wie Kandinsky, Gurdjieff, Rudyar oder Mother (Musikerin und Sängerin), die genau das getan haben. Stattdessen haben sich viele dieser oft brillanten Persönlichkeiten ausschließlich auf ihre Arbeit und den Kreis ihrer Bewunderer konzentriert und nicht nach der Quelle oder dem wahren Sinn ihrer Inspirationen gefragt. Warum also fühlen sich so viele dieser sehr empfindsamen Wesen, die sich für die Sphären der subtileren und höheren Schwingungen geöffnet haben, nicht dazu hingezogen, eine tiefere und bewusstere Verbindung zu einem spirituellen und befreienden Leben zu suchen?
Versuchen wir, die obskuren oder verborgenen Gründe für dieses seltsame Paradoxon zu entdecken: Diejenigen, die aufgrund ihrer Sensibilität die Quelle und die Natur ihrer Inspirationen an die Menschheit weitergeben sollten, scheinen so oft an der Schwelle stehen zu bleiben und keinen Schritt in Richtung der größeren Dimension des universellen Wissens und der Weisheit zu tun, als ob dies die Integrität und die Entwicklung ihrer Arbeit gefährden würde.
Es ist die allgemeine Auffassung, dass die Inspiration einem Künstler plötzlich und spontan zufällt, dass eine künstlerische Schöpfung der Phantasie entspringt. Doch ganz so einfach ist es nicht. Meistens ist ein Kunstwerk das Ergebnis einer langen Reifezeit, die oft mit einem inneren Kampf und harter Arbeit verbunden ist. Jede originelle Schöpfung erfordert besondere Bedingungen: einen Prozess, in dem sich Intelligenz mit Visionen verbindet, und vor allem die Fähigkeit und Bereitschaft, sich selbst ständig zu hinterfragen. Wer die Begrenzungen der Welt überwinden will, muss sich zunächst der Hingabe überlassen: Er muss sich gewissermaßen entleeren, die persönliche Verstellung aufgeben, um eine neue Vision, eine neue Inspiration zu vermitteln. Nur so kann der Künstler seine Kunst auf die Ebene des Ideals heben und sich der Vollkommenheit nähern, die er sucht und der Welt vermitteln möchte.
Es gibt zwei Arten von Künstlern, die die Grenze zwischen Anonymität und Ruhm durchbrechen. Es gibt diejenigen, denen es gelingt, hinter ihrem Werk zu „verschwinden“, weil ihre innere Alchemie sie von der Notwendigkeit befreit hat, als Ego zu arbeiten. Wir sehen, wie ihr Werk, befreit von der Persönlichkeit des Autors, aufblüht und sich wie eine strahlende, tröstliche Schwingung als Ausdruck reiner Schönheit über die Welt verbreitet. Denken Sie zum Beispiel an Johann Sebastian Bach, Leonardo da Vinci und Goethe, oder, näher an uns, an Hermann Hesse, Marguerite Yourcenar, Gustav Meyrink, Rainer Maria Rilke, Hilma af Klint, Alexander Skrjabin, Giacinto Scelsi und Jonathan Harvey, um nur einige zu nennen.
Andere wiederum haben so sehr unter den Opfern gelitten, die ihr künstlerischer Werdegang ihnen abverlangte, dass ihre Persönlichkeiten nach Wiedergutmachung zu verlangen scheinen und sie sich selbst in den Vordergrund zu stellen suchen. Diese großen Künstler mit ihren unbestreitbar einzigartigen Talenten und ihren tief inspirierten Werken scheinen den Ruhm als Belohnung zu suchen. Aber in solchen Situationen hängt oft ein dunkler Schatten über ihrem Werk und verhindert das mögliche Licht der tieferen universellen Tragweite ihrer Botschaft. Ihre Persönlichkeit ist so verzweifelt auf Anerkennung aus, dass sie alle höheren Qualitäten ihrer Arbeit auffrisst und sich von den persönlichen Komplimenten und Auszeichnungen, die sie erhalten, ernährt. Berühmtheit und Ruhm überschatten dann das Licht einer potenziell tieferen spirituellen Botschaft.
Dichter, Maler, Musiker – sie alle machen den gleichen schmerzhaften Prozess der „Selbstaufgabe“ durch, der ein wahres Meisterwerk auszeichnet. Einige verlieren sich darin und scheinen an den Wahnsinn zu grenzen, während andere die innere Weisheit finden, ihre Rolle ins rechte Licht zu rücken und zu verstehen, wie sehr sie nur das Vehikel für die spirituellen Impulse sind, die ihre Gedanken, Gefühle und Hände in den kreativen Prozess ihres Werks gelenkt haben.
Eine weitere Folge dieser „Personalisierung“ ist, dass nur sehr wenige Künstler offen für einen kollektiven und gemeinschaftlichen Ansatz sind. Wenn es jedoch eine spirituelle Magie gibt, die sich potenziell aus der Kunst des dritten Jahrtausends entwickeln und hervorgehen kann, dann ist es ganz sicher diese Dimension der kollaborativen Einheit: die Gemeinschaft der Talente. Dies ist der höhere Weg, den das Wissen um die spirituellen Gesetze in den Künstlern unserer heutigen Zeit inspirieren kann.
Schließlich möchten wir zum Ausdruck bringen, dass die spirituelle Mission eines jeden Wahrheitssuchenden denselben Gesetzen gehorcht, die auch die des Künstlers inspirieren:
Ein höherer, reiner Impuls wird den Prozess der inneren Transformation auslösen.
Diese innere Werkstatt, dieses alchemistische Laboratorium, ist der Ort der Verwandlung, an dem jedes Meisterwerk vollendet werden soll.
Am Ende wird die Frucht dieses Prozesses unpersönlich verbreitet.
Der Erfolg beruht auf drei Faktoren:
Nichts wird erreicht ohne ein offenes Herz.
Nichts wird ohne einen intelligenten Plan vollbracht.Nichts wird allein vollbracht.
Die meisten Künstler sind unbewusste Sucher nach dem Absoluten, und als Sucher nach dem Absoluten sind wir alle Künstler.
Daher kann eine alchemistische Transformation, die durch einen spirituellen Impuls ausgelöst wird, in wahrer Selbstvergessenheit ein künstlerisches Meisterwerk hervorbringen und in die Welt tragen.